Critique23. Februar 2023 Cineman Redaktion
Berlinale 2023: «L'amour du monde»: Das Flüstern der Jugend
Die schweizerisch-portugiesische Filmemacherin Jenna Hasse, die dieses Jahr bei den Berliner Filmfestspielen in der Sektion Generation vertreten war, stellte mit «L'amour du monde» ein zartes und kontemplatives Werk vor.
«L'amour du monde»: Das Flüstern der Jugend
Jenna Hasse | 76 Min.
Ein Text von Théo Metais
Die 14-jährige Margaux (Clarisse Moussa) wird für einen Sommer an die Ufer des Genfer Sees geschickt, um in einem Kinderheim zu arbeiten. Dort trifft sie auf die siebenjährige Juliette (Esin Demircan), ein besonders unruhiges Kind, und den Fischer Joël (Marc Oosterhoff), der gerade aus Indonesien zurückgekehrt ist. Schon bald entstehen Beziehungen zwischen den Dreien und sie freunden sich im Wasser langsam an. Margaux wächst behutsam in die Welt, das Kino und die Liebe hinein.
Wie Jenna Hasse ist auch ihre Protagonistin zwischen zwei Kulturen aufgewachsen: Portugal auf der Seite des Vaters (Filipe Vargas) und auf der anderen Seite die Schweizer Welt der Nouvelle Vague und des Schriftstellers Charles Ferdinand Ramuz. Es war übrigens sein gleichnamiger, 1925 veröffentlichter Roman, der die Filmemacherin zu «L'amour du monde» inspirierte. Nach ihrem Kurzfilm «En Août» (2004), der für die Auszeichnung «Quinzaine des réalisateurs» in Cannes ausgewählt wurde, feierte Jenna Hasse dieses Jahr in Berlin im Zoo Palast mit ihrem Film eine grosse Premiere und erntete verdienten Applaus.
Jenna Hasse zeigt eine elegante Zurückhaltung, um das Erwachen der jungen Margaux - gespielt von einer verhaltenen Clarisse Moussa. Sie lässt sie von der Kamera einzufangen und betrachtet ihre Figuren, wo andere sie hätten sprechen lassen. In seiner visuellen Sprache, am Rande der Stille und mit dem sanften Plätschern des Wassers, findet "L'amour du monde" eine einzigartige Stimme. Die Filmemacherin hat ihrer Figur Raum zum Wachsen gegeben.
So träumt Margaux an den sonnenverwöhnten Ufern des Genfer Sees und in Joëls Boot, in dem sie manchmal abends einnickt, von dem fernen Indonesien. Diese jugendliche Sehnsucht nach Freiheit kristallisiert sich heraus, wenn die Filmemacherin in einer Traumsequenz den Dschungel des Malers Henri Rousseau heraufbeschwört. An der Schwelle zum magischen Realismus überkommt uns diese Sehnsucht, bevor uns die Fabel des Reihers im Abspann wieder auf die Schönheit der Realität zurückwirft. Bevor die Vorführung begann, wünschte uns jemand eine gute Reise – und «L'amour du monde» hat uns wirklich mitgenommen.
4 von 5 ★
Eine Zusammenstellung aller Texte der 73. Berlinale findest du hier.
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