Critique25. Mai 2023 Cineman Redaktion
Cannes 2023: «Anatomie d’une chute»: Im Labyrinth der Wahrheit
Mit ihrer zweiten Wettbewerbsteilnahme in Cannes etabliert sich Justine Triet endgültig als feste Grösse des französischen Kinos. Sandra Hüller brilliert in der Hauptrolle – bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr, nachdem sie auch in «The Zone of Interest» von Jonathan Glazer überzeugte.
«Anatomie d’une chute»: Im Labyrinth der Wahrheit
Justine Triet | 151 min.
Ein Text von Patrick Heidmann
Die deutsche Schriftstellerin Sandra (Sandra Hüller) lebt mit ihrem inzwischen überwiegend als Lehrer arbeitenden Ehemann Samuel und dem nach einem Unfall erblindeten Sohn Daniel in einem französischen Bergdorf nahe Grenoble. Als der Gatte nach einem Fenstersturz tot im Schnee liegt, scheint das kein Unfall gewesen zu sein und die Indizien für eine Selbsttötung scheinen eher dürftig. So findet sich Sandra, unterstützt von ihrem befreundeten Anwalt (Swann Arlaud), schliesslich als Hauptverdächtige vor Gericht wieder, wo nicht zuletzt über ihre Ehe und ihr Selbstverständnis als Frau verhandelt wird.
Justine Triet macht aus ihrer zusammen Arthur Harari verfassten Geschichte, die sich hier und da Anleihen bei Hitchcock erlaubt, weniger einen Thriller als ein genau beobachtetes und vor allem enorm facettenreiches Gerichts- und Beziehungsdrama. Spannend ist das jede Minute, nicht zuletzt, weil die Regisseurin ein komplexes Hin und Her zwischen Wahrheit und Wahrnehmung entspinnt und sich ganz auf das Können ihrer Hauptdarstellerin verlässt, mit der sie schon bei «Sibyl» kollaborierte.
Sandra Hüller ist, wohlgemerkt auf Englisch und Französisch, das schwer durchschaubare Zentrum des Films und liefert – nach Jonathan Glazers «The Zone of Interest» nicht zum ersten Mal bei diesen Filmfestspielen von Cannes – eine Meisterleistung ab. Und preisverdächtig ist ihr eindringliches Spiel allemal.
4 von 5 ★
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