Critique19. August 2017 Irina Blum
Grandioser Bruno Ganz in der DDR-Dramakomödie «In Zeiten des abnehmenden Lichts»
Herbstdämmerung in der DDR. SED-Parteigenosse Powileit wird 90 Jahre alt und gefeiert. Doch das Fest wird zur Farce und zum Abgesang einer maroden Familie und eines abgewirtschafteten Systems. Mittendrin in diesem Kammerspiel agiert Bruno Ganz grandios als sarkastischer Jubilar.
Kritik von Rolf Breiner
Die Stunde der Verlierer
Da steht er nun und kann nicht anders, der Jubilar Wilhelm Powileit - souverän und grandios gespielt von Bruno Ganz. Der alte SED-Parteigenosse wird 90 Jahre alt und soll entsprechend parteikonform und familiär gefeiert werden. Doch der grantelnde Jubilar hat keinen Bock auf diese Rituale und kommentiert anfallende Geburtstagssträusse mit Sarkasmus: «Bringt das Gemüse auf den Friedhof!» Doch die aufgebotenen Parteibonzen, der für ein Ständchen aufgebotene Chor der Pioniere lassen sich nicht aufhalten. Der unausstehliche Geburtstagsgreis, hellwach und wissend, erträgt es mit zynischen Kommentaren.
«Bringt das Gemüse auf den Friedhof!»
In seiner Ostberliner Villa haben sich – notgedrungen - auch Verwandte und Bekannte eingefunden. Natürlich seine Frau Charlotte (Hildegard Schmahl), sein Sohn Kurt (Sylvester Groth) und seine alkoholisierte Frau Irina (Evgenia Dodina) sowie Schwiegertochter Melitta (Natalia Beliski). Nur einer fehlt, Enkel Sascha (Alexander Fehling), Kurts Sohn hat sich in diesem Herbst 1989 aus dem Staub gemacht – in den Westen. Doch bis das an diesem Abend rauskommt, ist vieles aus dem Ruder gelaufen, sind Fassaden gebröckelt, kommen prekäre Verhältnisse ans Licht. Es schlägt die Stunde der Verlierer. Nicht nur dieser vermeintlich private Festakt scheitert, sondern ein ganzer Staat und ein sozialistisches System à la DDR.
Der Roman «In Zeiten des abnehmendes Lichts» (2011) von Eugen Ruge spiegelt in der Familiengeschichte die Entwicklung der DDR. Der Titel bezieht sich auf die Zeit der Kartoffelernte, dem Herbst. Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Regisseur Matti Geschonneck konzentrieren sich auf einen Abend vor dem Fall der Berliner Mauer 1989. Sie haben sich vom umfassenden Roman gelöst und bündeln quasi die Schicksale, die drei Generationen umfassen, lassen sie an diesem Abend auflaufen, sich entladen. Es ist wie der Mauerfall im Rahmen einer Familie, in der sich eben auch der Verfall der DDR wiederspiegelt. Die Veränderung ist nicht aufzuhalten.
Mit Liebe zum Detail und zu den Figuren haben Geschonneck und seine Crew diesen Moment des Niedergangs, der Auflösung und Zerrüttung gebannt – in einem Kammerspiel mit tragischen und komischen Nuancen. Als Produzent wirkte übrigens Oliver Berben, der Sohn der bekannten Schauspielerin. Da stimmt jede Kleinigkeit, jede Geste. Getragen und realisiert von einem einem grossartigen Ensemble – vom zerknitterten Sylvester Groth als leidenden Mitwisser bis zu Bruno Ganz als Jubilar mit Durchblick, der um das Platzen einer Illusion weiss. Ein packendes und konzentriertes Kinostück, das in seiner Art an das britische Beispiel The Party, ebenfalls mit Bruno Ganz, erinnert.
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