Critique6. April 2021

Netflix-Kritik «Concrete Cowboy»: Zügellos

Netflix-Kritik «Concrete Cowboy»: Zügellos
© Netflix

Das Netflix-Drama «Concrete Cowboy», das bereits im September 2020 seine Uraufführung beim Toronto International Film Festival feierte, beleuchtet die aufregende, der breiten Masse eher unbekannten Subkultur der afroamerikanischen Cowboys in Philadelphia und erzählt eine – leider – nicht sehr kraftvolle Coming-of-Age-Geschichte.

Filmkritik von Christopher Diekhaus

«Ich kenn den Arsch nicht mal», beklagt sich der rebellische Teenager Cole (Caleb McLaughlin) an einer Stelle im Beisein von Smush (Jharrel Jerome), einem Bekannten aus Kindertagen. Die Beleidigung gilt Coles Vater Harp (Idris Elba), den der Jugendliche schon länger nicht mehr gesehen hat, bei dem er nun aber den Sommer verbringen muss. Nach einem neuerlichen Ausraster in der Schule liefert ihn seine entnervte Mutter (Liz Priestley) kurzerhand in Philadelphia ab, was Cole freilich ganz und gar nicht schmeckt.

Eine Bindung zu Harp ist – siehe oben – nicht existent. Und irritiert stellt er auch noch fest, dass sich sein Erzeuger das Haus mit einem Pferd teilt. Die grosse Leidenschaft seines Vaters für die traditionsreiche urbane Cowboy-Kultur in der Ostküstenmetropole will sich dem jungen Mann nicht erschliessen. Gleichwohl wird er dazu verdonnert, in den Ställen der altehrwürdigen Fletcher Street mit anzupacken. Die körperliche Arbeit soll ihn von dummen Gedanken abhalten. Heimlich trifft sich Cole jedoch mit Smush, der den orientierungslosen Neuankömmling in das Drogengeschäft einführen will und von einem Ausbruch aus den tristen Verhältnissen seines Viertels träumt.

Passagen, die die Gespräche und gemeinsamen Aktivitäten der städtischen Cowgirls und Cowboys zeigen, haben einen erfrischend authentischen Charakter.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

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Das auf dem Roman «Ghetto Cowboy» basierende Drama, mit dem Ricky Staub sein Langfilmdebüt abliefert, taucht in ein spannendes Milieu ein und lässt sich als eine Erweiterung der klassischen Westernerzählung betrachten. Harp und die anderen schwarzen Pferdeliebhaber merken während ihrer Gespräche am Lagerfeuer zu Recht an, dass das Hollywood-Kino das afroamerikanische Cowboy-Brauchtum weitgehend ausgeblendet und das Bild des weissen Reiters als Standard etabliert hat. Umso wichtiger, dass Staubs abendfüllender Erstling diesen Eindruck korrigiert und auf eine urbane Szene aufmerksam macht, von der viele Zuschauer, vor allem ausserhalb der USA, noch nie gehört haben dürften. Einer Community, die einige Einheimische auch davor bewahrt, sich illegalen Machenschaften zu verschreiben.

Der Regisseur und sein Co-Drehbuchautor hätten die faszinierende Subkultur ruhig noch stärker in den Mittelpunkt rücken können.– Cineman-Filmkritiker Christopher Diekhaus

In den Bann zieht «Concrete Cowboy» in erster Linie dann, wenn der Film den Blick auf die verschworene Gemeinschaft und ihre Probleme in einer sich rasant ändernden modernen Welt richtet. Den Reitverein der Fletcher Street, den es tatsächlich gibt, bedroht, wie schon früh deutlich wird, das Schreckgespenst der Gentrifizierung. Passagen, die die Gespräche und gemeinsamen Aktivitäten der städtischen Cowgirls und Cowboys zeigen, haben einen erfrischend authentischen Charakter. Kein Wunder, wurden manche Nebenrollen doch ganz bewusst mit echten urbanen Reiterinnen und Reitern besetzt.

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Der Regisseur und sein Co-Drehbuchautor Dan Walser hätten die faszinierende Subkultur ruhig noch stärker in den Mittelpunkt rücken können. Denn Coles wenig überraschende Annäherung an seinen Vater und der Smush-Strang, der die Gefahr eines kriminellen Teufelskreises beschwört, nehmen spätestens ab der Mitte einen arg schematischen Verlauf. Egal, wie sehr sich die Darsteller auch ins Zeug legen. Den Figuren kommt man mit der Zeit nicht mehr richtig nahe. Die Coming-of-Age-Geschichte, die das Geschehen eigentlich emotional aufwerten soll, erweist sich als Schwachpunkt und raubt dem anfangs sehr stimmungsvollen Film ein Stück seines Reizes.

3 von 5 ★

«Concrete Cowboy» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.

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