Critique27. September 2019 Irina Blum
Netflix-Kritik «The Politician»: Die neue Comedy-Serie von «Glee»-Erfinder Ryan Murphy
Wie könnte der Aufstieg eines Politikers aussehen? Und welche Eigenschaften sind dazu notwendig? Diese Fragen beackert «Glee»-Erfinder Ryan Murphy in seiner neuen Netflix-Produktion, die in der ersten Staffel im Umfeld einer US-amerikanischen High School spielt.
Serienkritik von Christopher Diekhaus
Schon in jungen Jahren steht für den von einer wohlhabenden Familie adoptierten Payton Hobart (Ben Platt) fest, dass er es eines Tages zum Oberhaupt der Vereinigten Staaten bringen wird. Bevor er nach den Sternen greifen kann, muss er allerdings erst einmal das Haifischbecken der Saint Sebastian High School im kalifornischen Santa Barbara überstehen. Seine Bewerbung für die Elite-Uni Harvard hat der junge Mann bereits abgegeben. Und nun will er unbedingt zum Präsidenten des Schülerparlamentes gewählt werden.
Die als Komödie vermarktete Serie hat Schwierigkeiten, humortechnisch durchzustarten
Sein Konkurrent ist ausgerechnet der beliebte River (David Corenswet), der während einer Rede offen über seine Depressionen spricht und die lesbische Afroamerikanerin Skye (Newcomerin Rahne Jones) zu seiner Stellvertreterin machen will. Payton und sein Wahlkampfteam, bestehend aus seiner loyalen Freundin Alice (Julia Schlaepfer) und den Strategen McAfee (Laura Dreyfuss) und James (Theo Germaine), gerät dadurch plötzlich in Bedrängnis.
Auch sie brauchen einen Vizekandidaten, mit dem sie bei den Wählern Sympathiepunkte sammeln wollen. Ins Visier nimmt das ambitionierte Quartett die krebskranke Infinity (Zoey Deutch), die sich zum Ärger ihrer manipulativen Oma Dusty (Jessica Lange) anfangs jedoch ziert. Ein tragisches Ereignis setzt Payton und seine Mitstreiter schließlich noch mehr unter Druck.
Die Idee, eine politische Karriere mit einem High-School-Setting zu verbinden, klingt vielversprechend und bietet allerhand satirisches Potenzial. Murphy und seine Ko-Schöpfer Ian Brennan und Brad Falchuk greifen bereits in den ersten drei Episoden, die dieser Kritik zugrundliegen, diverse hochaktuelle Themen auf.
Gute Ansätze sind immerhin vorhanden.
Die noch immer vorherrschende Rassendiskriminierung findet ebenso Erwähnung wie die MeToo-Debatte, die Diskussion um den Zugang zu Feuerwaffen oder der Kampf um eine möglichst authentische Außenwirkung. «The Politician» schneidet viele spannende Aspekte an, wirft sie mitunter aber bloss stichwortartig in den Raum.
Obwohl es einige herrlich sarkastische Einfälle gibt, etwa der kurios inszenierte Selbstmordversuch von Paytons Adoptivvater (Bob Balaban), hat die als Komödie vermarktete Serie Schwierigkeiten, humortechnisch durchzustarten. Momente, die zum herzhaften Loslachen animieren, sind – zumindest in den Folgen eins bis drei – rar gesät. Manche Nebenfiguren verschwinden zwischendurch zu lange von der Bildfläche. Und den Intrigen, die sowohl Payton als auch seine Gegner schmieden, fehlt es gelegentlich an Raffinesse.
«The Politician» spielt bevorzugt in einer mondänen Luxuswelt, in der finanzielle Sorgen Fremdworte sind und wo Eltern ihren Kindern notfalls mit Geld Plätze an den besten Hochschulen sichern. Das Porträt, das die Netflix-Produktion von der auf ihren eigenen Vorteil bedachten Oberschicht zeichnet, ist alles andere als schmeichelhaft. Ein paar Brüche hätte es aber gut vertragen können.
Der im Zentrum stehende, ehrgeizige, von seinem grossen Ziel nicht abzubringende Taktierer hat durchaus spannende Facetten – vor allem wenn er Zweifel zeigt und wenn man an seine intime Beziehung zu Kontrahent River denkt. In einen rundum faszinierenden Protagonisten verwandeln die Auftaktfolgen Payton jedoch nicht. Vielleicht kriegen Murphy und Co ab Episode vier ja noch die Kurve. Gute Ansätze sind immerhin vorhanden.
3 von 5 ★
Die achtteilige erste Staffel von «The Politician» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.
Ebenfalls ab sofort auf Netflix verfügbar:
Vous devez vous identifier pour déposer vos commentaires.
Login & Enregistrement