Critique26. August 2020 Michelle Knoblauch
Kinotipp der Woche: «Tenet» – Christopher Nolans neustes Werk
Endlich ist es so weit: Nach langem Hin und Her schlägt Christopher Nolans neue Regiearbeit in den Filmtheatern auf und könnte der am Stock gehenden Kinobranche wieder etwas Auftrieb geben. Spannung, Action und erzählerischen Anspruch verbindet Tenet zumindest auf erfreulich effiziente Weise.
Kritik von Christopher Diekhaus
Jedem Christopher-Nolan-Werk der letzten 15 Jahre wurde vielerorts mit Vorfreude entgegengefiebert, da sich der in London geborene Filmemacher schon früh als raffinierter, das Publikum herausfordernder Leinwandunterhalter entpuppte. So gross wie im Fall seiner jüngsten, mehr als 200 Millionen Dollar schweren Produktion war die Erwartungshaltung allerdings noch nie.
Nachdem die Corona-Krise den Kinomarkt schwer getroffen hat und viele Hollywood-Studios ihre Blockbuster weiterhin verschieben oder in den Streaming-Bereich verfrachten, ist «Tenet» eine Art Leuchtturm, der handfeste Aufbruchsstimmung verbreiten soll. Das Ruder komplett rumreissen wird Nolans neuer Streich allein sicher nicht. Ein kleiner Anfang ist mit dem aufregenden Mix aus Agententhriller, Actionfeuerwerk und Science-Fiction-Streifen aber gemacht.
In bester James-Bond-Manier dreht sich darin alles um eine existenzielle Bedrohung für die Welt, die ein namenloser, im Abspann lediglich als „The Protagonist“ bezeichneter Geheimagent (John David Washington) abwenden muss. Nach einem nervenaufreibenden Einsatz im Opernhaus von Kiew wird der zupackende Spion mit der ultrageheimen „Tenet“-Organisation konfrontiert und erfährt, dass das Ende der Menschheit bevorsteht, wobei die Inversion, eine Form der Zeitmanipulation, eine zentrale Rolle spielen wird. Der zum Retter auserkorene Mann staunt nicht schlecht, als er zum ersten Mal mit eigenen Augen sieht, was damit gemeint ist. Kugeln, die bereits abgefeuert wurden, kann er plötzlich zurück in die Waffe schiessen.
Dass Nolan Spektakelkino atemberaubend inszenieren kann, beweist nicht zuletzt der am Ende losbrechende Wettlauf gegen die Uhr.
Ähnlich wie in seinem komplex gebauten Traumthriller «Inception» baut Nolan auf einen High-Concept-Ansatz, den man nicht in Gänze nachvollziehen muss, um den Film geniessen zu können. Im Grunde reicht es aus, zu wissen, dass der von Kenneth Branagh verkörperte Antagonist Andrei Sator einen Weg gefunden hat, die Zeit umzukehren und seine Vernichtungspläne dadurch voranzutreiben. Bis zu einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd im Mittelteil fühlt sich «Tenet» ohnehin mehr wie ein klassischer Agententhriller samt staunenswerten Actionsequenzen und diversen Schauplatzwechseln an.
Erst als der Held und sein Komplize Neil (Robert Pattinson) einen Konvoi überfallen, kurbelt der Regisseur das Spiel mit den zeitlichen Ebenen merklich an und schüttelt fortan verstärkt optische Leckerbissen aus dem Ärmel. Mit einem Mal werden die Spione etwa von rückwärtsfahrenden Autos gejagt. Dass Nolan Spektakelkino atemberaubend inszenieren kann, beweist nicht zuletzt der am Ende losbrechende Wettlauf gegen die Uhr, der dank einer geschickten Parallelführung verschiedener Stränge den Puls ordentlich nach oben treibt.
Wie in manch anderen Nolan-Arbeiten bleibt die emotionale Seite allerdings ein wenig auf der Strecke, auch wenn das menschliche Moment über Sators gepeinigte Ehefrau Kat (Elizabeth Debicki) in die Geschichte einfliessen soll. Ungewöhnlich für einen Hollywood-Blockbuster ist zudem die Zeichnung der im Mittelpunkt stehenden Washington-Figur, die einem leeren Blatt Papier gleicht. Lange Zeit erfahren wir fast nichts über den Geheimagenten. Am Ende warten auf ihn selbst und den Zuschauer dann aber doch einige interessante Erkenntnisse.
4 von 5 ★
«Tenet» ist ab dem 26. August in den Deutschschweizer Kinos zu sehen
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