Article15. Juni 2023 Cineman Redaktion
Verschroben wie selten zuvor: 5 Gründe, Wes Andersons neuen Film «Asteroid City» zu schauen
Da hat einer seine Nische gefunden! Seit seinem Regiedebüt «Bottle Rocket» von 1996 dreht Wes Anderson in regelmässigen Abständen schräge, eigenwillig erzählte Filme, die zudem optisch einiges zu bieten haben. Seinen Hang zur Schrulligkeit lebt der US-Amerikaner so stark wie selten zuvor in «Asteroid City» aus. Einem Werk, das uns in eine Wüstenstadt entführt, in der sich während eines Kongresses für jugendliche Erfinder im Jahr 1955 zahlreiche skurrile Gestalten einfinden. Das Ganze richtet sich besonders an eingefleischte Anderson-Fans. Wir haben 5 Gründe, warum alle anderen dennoch einen Blick riskieren sollten.
von Christopher Diekhaus
1. Starauflauf im Wüstensand
War halb Hollywood auf einem Busausflug im Nirgendwo? Und hat Wes Anderson die Reisetruppe einfach an sein Set gelotst? Fast hat es den Anschein. Verrückt ist es auf jeden Fall, wer sich hier alles die Ehre gibt: Tom Hanks als reicher, stets Waffe am Hosenbund tragender Schwiegervater des Protagonisten Augie Steenbeck (Jason Schwartzman), Steve Carell als emsig-pragmatischer Motel-Manager im Wüstenkaff, Tilda Swinton als Wissenschaftlerin, Matt Dillon als planloser Werkstattbesitzer, Jeffrey Wright als knallharter General, Edward Norton als schwuler Bühnenautor und Bryan Cranston als zackiger TV-Ansager. Ausserdem mit dabei: Adrien Brody, Willem Dafoe, Margot Robbie und Jeff Goldblum. Besonders hervorheben müssen wir – siehe Punkt 2 - Scarlett Johansson, die aus dem illustren Ensemble hervorzustechen weiss.
2. Scarlett Johansson mit Marilyn-Monroe-Ausstrahlung
Gerade zu Beginn ihrer internationalen Karriere wurde Scarlett Johansson immer wieder mit Marilyn Monroe verglichen – und ähnlich wie die Hollywood-Ikone auf die Rolle der blonden Sexbombe reduziert. Dass sie vor allem eine gute Schauspielerin ist, wissen wir inzwischen längst. Für Wes Anderson schlüpft sie hier in die Rolle der fiktiven Leinwanddarstellerin Midge Campbell, die optisch sicher nicht von ungefähr an Monroe erinnert. Die Diskussionen um ihre eigene Person erfrischend selbstironisch aufgreifend, entwirft Johansson eine der schillerndsten Figuren von «Asteroid City». Dank ihrer Performance glaubt man stellenweise wirklich, eine Filmdiva aus den 1950er-Jahren mit viel klassischer Staraura vor sich zu haben.
3. Szenenbild und Optik? Ein Fest!
Die nicht gerade sehr lebensechten Figuren und eine Rahmenhandlung mit starkem Meta-Vibe mögen ein völliges Abtauchen verhindern. Und doch hat die von Anderson kreierte künstliche Welt mit ihren Americana-Elementen etwas ungemein Anziehendes an sich. Jede Einstellung ist sorgsam ausgestattet, versehen mit vielen liebevollen Details und farblich prägnant gestaltet. Der zentrale Handlungsort in der Wüste wirkt wie ein Miniaturwunderland, in dem es überall etwas zu entdecken gibt. Keine Frage, seinem Ruf als grosser Stilist wird der Regisseur mal wieder vollauf gerecht. Auch dann, wenn er auf der zweiten Erzählebene, in besagter Rahmenhandlung, mit einer Schwarz-Weiss-Optik und einem fast quadratischen Bildformat experimentiert.
4. Schräger Humor
«Asteroid City» ist sicherlich kein Film, in dem man ständig lauthals losprustet. Ein Schmunzeln dürfte aber immer wieder die Mundwinkel umspielen. Denn wie so oft hat Wes Anderson ein Gespür für trocken-absurde Komik. Dass ganz in der Nähe des titelgebenden Wüstenkaffs Atombombentests durchgeführt werden, scheint die Bewohner nicht zu stören. Zumindest zucken sie stets nur mit den Schultern, wenn die Erde mal wieder wackelt. Ebenfalls sehr lustig: Die drei Töchter von Hauptfigur Augie sind echte Teufelinnen – und auch noch stolz darauf, wie ihr von Tom Hanks verkörperter Opa ungläubig feststellen muss. Viele der im Szenenbild versteckten Scherze fliegen beim ersten Sehen wahrscheinlich an einem vorbei. Für eine zweite Sichtung gilt daher: Genau hinschauen! Überall warten kleine Verweise und Anspielungen auf uns.
5. Individuelles US-Kino
Oft wird der fehlende Mut vieler US-amerikanischer Filme kritisiert, sich über das stark von Formeln und Konventionen bestimmte Kino aus dem Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten beklagt. Um ehrlich zu sein, ist das Bild aber nicht so trist, wie wir es manchmal zeichnen. Das kontinuierliche Schaffen Wes Andersons ist der beste Beweis dafür, dass sich ein Individualist, ein Grenzgänger, ein echter Filmkünstler auch in den Vereinigten Staaten halten kann. Ohne seine Werke, die stets mit grossen Hollywood-Stars auftrumpfen können, wäre das US-Kino definitiv um einen seltsam faszinierenden Farbtupfer ärmer.
3 von 5 ★
Seit dem 15. Juni im Kino.
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