Critique23. Oktober 2018 Irina Blum
«Wolkenbruch»: Eine Schweizer Komödie mit Dialogwitz und Situationskomik
Die auf dem gleichnamigen Bestseller basierende Komödie «Wolkenbruch» handelt von einem jungen Zürcher Juden, welcher der Liebe wegen mit seiner orthodoxen Familie bricht. Mit viel Gespür für Dialogwitz und Situationskomik inszeniert, mit Inge Maux und Joel Basman zudem exzellent besetzt, ist Michael Steiners Film eine der besten Schweizer Komödien überhaupt.
Filmkritik von Irene Genhart
Es sei ihr Motti, klagt Mame Wolkenbruch, früher doch ein ach so „lib eyngl“ und „hartsik bebele“ (guter Junge und hübscher Knabe) gewesen. Doch nun ist Mordeachai erwachsen. Und nur weil es so Tradition ist und seine Mutter das wünscht, hat er keine Lust, irgendeine Frau zu ehelichen. Er möchte eine Frau, die ihm gefällt, und zwar am liebsten eine mit einem knackigen „tuches“ (Hintern), so wie seine Studienkollegin Laura einen hat. Laura ist ganz anders als die strenggläubigen „mejdlech“, die Mame Wolkenbruch Motti vorstellt. Sie ist weltoffen, jobbt in einem Club, parliert mit charmant französischem Akzent und spricht Motti an der Uni eines Tages einfach an.
Und weil Laura Motti auch schon mal in eines dieser Zürcher Szenenlokale führt, in denen richtige Juden keinen Fuss setzen, und ihn zu ihrer WG-Party einlädt, wird es für Motti zu Hause eng. Vorerst verschafft er sich Luft, indem er sich mit Mutters nächsten Hochzeits-Kandidatin dem Schein nach verlobt. Was bei Mutter einen Freudensturm auslöst, zu einem Autounfall führt und Motti zur einer modischen Brille verhilft. Die Mutter aber ist über die grässliche „brjln“ entsetzt.
Doch Motti lässt sich davon nicht mehr irritieren. Je länger die Sache mit Laura dauert, desto mehr wächst er – leise unterstützt von seinem Tate (Vater) – über sich und Mame Wolkenbruchs harsches Regime hinaus. So sehr, dass die auf Rat des Rabbis zu Mottis Heilung anberaumte Reise nach Israel diesen nicht auf den rechten Weg, sondern erst recht in die Arme seiner Schickse (Nichtjüdin) führt.
Wolkenbruch zugrunde liegt der Debütroman von Thomas Meyer. «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse», wie dieser titelt, spielt unverbrämt in Zürichs orthodox-jüdischen Kreisen, vermischt Standarddeutsch mit Jiddisch. Er hat bei Erscheinen 2012 für Furore gesorgt, mauserte sich in der Folge aber zu einem der bestverkauften Schweizer Romane jüngerer Zeit. Meyer selber hat darauf basierend das Drehbuch verfasst, Michael Steiner («Grounding») dieses mit viel Gespür für Dialogwitz und Situationskomik verfilmt.
Michael Steiner ist eine der besten Schweizer Komödien überhaupt geglückt.
Im direkten Vergleich wirkt der Film, in der Handlung gestrafft, etwas leichtfüssiger als der Roman. Beibehalten hat man den jiddisch-deutsch-hebräischen Sprachmix, er verleiht «Wolkenbruch» einen für einen Schweizerfilm ungewöhnlichen, aber speziellen Charme. Mit Inge Maux in der Rolle der überschwänglichen Mame und Joel Basman, der – selber aus einer jüdisch/nichtjüdischen Familie stammend – in der Rolle Mottis einen der stärksten Auftritte seiner bisherigen Karriere hinlegt, ist Steiner eine der besten Schweizer Komödien überhaupt geglückt.
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