Critique5. Oktober 2018

Zurich Film Festival: Johnny Depp säuft sich in «Richard Says Goodbye» um Kopf und Kragen

Zurich Film Festival: Johnny Depp säuft sich in «Richard Says Goodbye» um Kopf und Kragen
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Das Zurich Film Festival wartet dieses Jahr noch bis zum 7. Oktober mit über 160 Filmen aus aller Welt auf – bei uns findest du hier laufend neue Kritiken zu den Filmen im Wettbewerb oder exklusiven Gala-Premieren.

Richard Says Goodbye | Gala Premiere

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Richard ist College-Professor, lebt in einem grossen Haus mit Frau, Tochter sowie Hund und hat einen besten Freund, der für ihn durchs Feuer gehen würde. Als er aber mit einer niederschmetternden Diagnose konfrontiert wird, und seine Frau ihm in einer Seelenruhe gesteht, ihn betrogen zu haben, beschliesst er, sein Dasein komplett umzukrempeln. Mit einer unheilvollen Krankheit und seinem baldigen Lebensende vor Augen, beginnt er, sein Leben in vollen Zügen auszukosten und dabei keine Sünde auszulassen: Er legt sich mit jedem an, der ihm gegen den Strich geht, trinkt, raucht und macht auch vor sexuellen Eskapaden keinen halt. Doch die Zeit rennt ihm davon…

«Richard Says Goodbye» ist eine dramatische Komödie, die vor schwarzem Humor und Zynismus regelrecht trieft und damit bestens unterhält. Johnny Depp begeistert in der Hauptrolle des Professors, der keine Zeit mehr zu verlieren hat, und sorgt nicht nur für unvergleichliche Komik sondern schliesslich auch für bewegende Filmmomente und eine Message, die sich so manch einer – mit Mass – mehr zu Herzen nehmen sollte.

Zu den Spielzeiten am ZFF

Red Joan | Gala Premiere

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KRITIK DER CINEMAN-REDAKTION

Joan Stanley (Judi Dench) geniesst ihren Ruhestand in einem pittoresken Dörfchen Englands. Als eines Tages aber MI5-Agenten vor ihrer Tür stehen und sie schliesslich in Handschellen abführen, wird ihr Leben urplötzlich auf den Kopf gestellt: In Rückblenden entfaltet sich eine Erzählung über eine junge Studentin der Universität Cambridge (Sophie Cookson), die sich in den 1930er-Jahren in den manipulativen aber äusserst anziehenden Russen Leo verliebt, der schleichend immer mehr Einfluss auf ihre Weltanschauung nimmt. Nach dem Krieg steht sie im Dienst einer geheimen Kernforschungsanlage und muss sich bald entscheiden: Wie weit wird sie gehen, um den Frieden zu wahren?

Die Romanverfilmung, die ihrerseits auf der wahren Geschichte von Melita Norwood basiert, überzeugt zwar durch Judi Denchs emotionales Schauspiel, vermag aber trotz aufregender Ausgangslage nicht bis zum Filmende Spannung aufrechtzuerhalten: Klischeebeladene Figuren, teilweise etwas hölzern wirkende Dialoge und einige vorhersehbare Wendungen machen dem Spionage-Thriller einen Strich durch die Rechnung.

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Womit haben wir das verdient? | Fokus Schweiz, Deutschland, Österreich

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Kritik der Cineman-Redaktion

Wanda versteht die Welt nicht mehr: Ausgerechnet ihre 16-jährige Tochter Nina, die in einem fortschrittlichen und feministischen Haushalt aufgewachsen ist, eröffnet ihr und ihrem Ex-Mann eines Tages, zum Islam konvertiert zu sein. Ab sofort trägt sie Kopftuch, fastet während dem Ramadan und besucht die Moschee, und das mitten in Wien. Eine pubertäre Phase, könnte man meinen – doch auch die hartnäckigsten Überzeugungsversuche prallen an der Jugendlichen ab…

Es ist eine diffizile Gratwanderung, auf der sich «Womit haben wir das verdient?» befindet. Doch Humor und Religionskritik gehen in dieser Komödie Hand in Hand – weil schlussendlich irgendwie alle ihr Fett weg kriegen: Moslems, Atheisten, Patchworkfamilien, Feministinnen… Zum Schluss weiss man zwar nicht mehr ganz, wo dieses bunte Wirrwarr aus Familienchaos und Integrationsdrama hin will – als Zuschauer bei der Reise dabei zu sein, macht aber grossen Spass.

Zu den Spielzeiten am ZFF

Orange Days | Spielfilmwettbewerb

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Kritik der Cineman-Redaktion

Alban schlägt sich als Managerin einer Orangen-Platane irgendwo im Norden Irans durch und muss im harten, männerdominierten Business nicht selten ihre Ellbogen ausfahren. Dieses Jahr hat sie sich zwar einen der grössten Aufträge in der Region gesichert, ihre Kontrahenten schauen aber nicht bloss tatenlos zu, wie sie den Erfolg verbuchen kann. Kaum hat die Ernte begonnen, muss sie sich allerlei Problemen stellen: Ihre Lagerhalle wird aufgebrochen, das Geld ist knapp und den Arbeiterinnen geht die Motivation aus. Dabei hilft nicht, dass das Verhältnis zu ihrem Mann immer angespannter wird...

«Orange Days» ist ein ruhiges Drama, das einen spannenden Einblick in ein ansonsten eher unbekanntes Terrain gibt und mit Hauptdarstellerin Hadieh Tehrani ideal besetzt ist: Sie schafft es, den Zuschauer mit einer authentischen Darstellung zwischen verschlossen-rigoros und fürsorglich-verletzlich abzuholen.

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Leave No Trace | Spielfilmwettbewerb

Kritik von Christopher Diekhaus

Das auf dem Roman „My Abandonment“ basierende Aussteigerdrama «Leave No Trace» erzählt von einem Vater (Ben Foster) und seiner Tochter (Thomasin McKenzie), die sich aus der Gesellschaft zurückgezogen haben, mit der Zeit allerdings unterschiedliche Vorstellungen vom Leben entwickeln.

Nach dem famosen, zu Recht vielfach preisgekrönten Hinterland-Porträt «Winter’s Bone» gelingt Independent-Regisseurin Debra Granik erneut ein spannender Blick auf Aussenseiterfiguren, deren Schicksal und Dasein dank eindringlicher Darstellerleistungen und einer natürlich wirkenden Handlungsentwicklung zutiefst berührt.

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Sir | Gala-Premiere

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Kritik der Cineman-Redaktion

Ratna, eine verwitwete junge Frau vom Land, arbeitet in der pulsierenden Metropole Mumbai beim reichen Unternehmenssohn Ashwin als Hausangestellte und kann so ein relativ eigenständiges Leben führen. Ein Glücksfall, denn Witwen haben in ländlichen Gebieten Indiens wenig bis gar keine Rechte. Doch Ratna hätte gerne studiert und lässt sich ihren ambitionierten Traum nicht ausreden, eines Tages als Modedesignerin ihr Geld zu verdienen.

Als ihr Hausherr nach seiner geplatzten Vermählung in der selbstbewussten Ratna nicht nur Trost, sondern auch eine ebenbürtige Gesprächsparterin findet, kommen sich die beiden langsam näher… Regisseurin Rohena Gera hat mit «Sir» eine wunderschön zarte Liebesgeschichte geschaffen, bei der man sich ständig vor Augen führen muss, dass diese wirklich im Hier und Jetzt spielt – denn: Mit subtiler Kritik am indischen Klassensystem wird nicht gespart.

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First Man | Gala-Premiere

Kritik der Cineman-Redaktion

Ein Blick auf das Leben von Neil Armstrong, dem ersten Menschen auf dem Mond – und auf die Konflikte und Entbehrungen, mit denen er im Zuge seiner ambitionierten Mission konfrontiert war. Gleichzeitig schildert der Film auf ergreifende Weise die hochdramatischen Ereignisse des amerikanischen Raumfahrtprogramms zwischen 1961 und 1969. Damien Chazelle versteht es nach «Whiplash» und «La La Land» einmal mehr, sich ein Thema mit seinem unverkennbaren Stil zu eigen zu machen – wer sich bisher nicht für die Mondlandung und Neil Armstrong interessiert hat, wird das spätestens nach «First Man» tun. Eindrückliche und gleichzeitig unkonventionelle Bilder sowie die starken Darstellungen von Ryan Gosling und Claire Foy machen das Biopic zu einem einzigartigen Kinoerlebnis.

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Beautiful Boy | Gala-Premiere

Kritik von Gaby Tscharner

Der Journalist David (Steve Carell), ein hingebungsvoller Vater, versucht verzweifelt, die Ursache der unerklärlichen und zerstörerischen Methamphetamin- Sucht seines Sohnes Nic (Timothée Chalamet) zu ergründen. Unendliche Male holt er ihn aus der Gosse und begleitet ihn zum Entzug, nur um sein Kind immer wieder rückfällig werden zu sehen. Eindrückliche Leistungen von Steve Carell und Timothée Chalamet sorgen dafür, dass der Film wie der rechte Haken eines Boxers noch lange nach Filmende in der Magengegend weh tut.

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Subito – Das Sofortbild | Dokumentarfilmwettbewerb

Kritik von Rolf Breiner

Das Bild sofort in den Händen beziehungsweise vor den Augen zu haben ist heutzutage eine Selbstverständlichkeit – siehe Handy oder iPad. Freilich ohne Papierabzug. Vor 70 Jahren war dies eine Sensation: das Sofortbild. Der geniale Tüftler Edwin Land entwickelte eine Kamera, die sofort lieferte: die Polaroid. Peter Volkart liefert nun den Film dazu und beschreibt die Geschichte hinter den Bildern. Virtuos und spannend.

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Girl | Spielfilmwettbewerb

Kritik von Rolf Breiner

Ein junges Mädchen (16) quält sich: Einerseits lässt sich Lara zur Ballerina in Brüssel ausbilden, andererseits steckt sie noch im Körper von Viktor und wartet auf die geschlechtsangleichende Operation. Der belgische Filmautor Lukas Dhont beschreibt den inneren und äusseren Kampf seiner Protagonistin, den qualvollen Weg einer Transformation – mit einem überragenden Viktor Polster als Lara.

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Green Book | Gala-Premiere

Filmkritik von Walter Rohrbach

«Green Book» stellt die Lichter auf Grün für eine Freundschaft über soziale Grenzen hinweg und stellt Fragen über Identität und Rassismus. Das Roadmovie ist eine tragisch-komische Fahrt, welche die Grenze zum Kitsch geschickt umfährt oder allenfalls nur leichte Kratzer auf der Kitschautohaube hinterlässt und dabei grossen Spass macht.

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The Guilty | Spielfilmwettbewerb

Kritik von Peter Osteried

Eine Frau ruft in der Notrufzentrale an. Sie ist entführt worden und weiss nicht, wohin sie gebracht wird. Der Beamte versucht, mehr herauszufinden und so das Leben der Frau zu retten. Diese dänische Produktion ist ein intensiver Film, der nur an einem Handlungsort spielt und bloss einen Hauptdarsteller aufweist. Alle anderen Personen hört man lediglich über das Telefon. Die Fantasie des Zuschauers ist gefordert, was die Wirkungsweise des Films noch stärkt. Der mehrfach auf Festivals preisgekrönte Thriller ist ganz grosses Kino, das den Zuschauer wie kaum ein anderer Film involviert.

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