Interview3. Oktober 2023

3 Fragen an Yannick Mosimann (Regisseur NORMAL LOVE)

3 Fragen an Yannick Mosimann (Regisseur NORMAL LOVE)
© Yannick Mosimann

Yannick Mosimann arbeitet als Filmemacher, Klangkünstler und Fotograf. Sein Werk umfasst mehrere Filme und Videoinstallationen, sowie kollaborative Arbeiten als Filmemacher und Musiker mit diversen Kunstschaffenden. Im Fokus seiner Arbeiten stehen intuitive Prozesse und sensorische Erfahrungen. Zur Weltpremiere seines Films NORMAL LOVE am Zurich Film Festival haben wir ihm drei Fragen gestellt.

Mir wurde schnell klar, dass wenn ich mich vollständig auf die Beziehung zwischen Jeanne und Mike einlasse, ihre persönliche Reise und das alltägliche Leben unbeschönigt dokumentiere, ich eine Tiefe erreichen kann, die viel näher an unseren eigenen Beziehungen liegt, als ich zuerst vermutet hatte.– Yannick Mosimann, Filmemacher

Worum geht es in Deinem Film NORMAL LOVE und wie bist Du auf das Thema gekommen?

Am 8. Januar 2021 unterzeichneten zwei sich völlig unbekannte Menschen, Jeanne und Mike, den Contrat de Relation Amoureuse de Qualité. Der Vertrag ist die Verschriftlichung einer von Jeanne Spaeter entwickelten Performance. Im Vertrag wird in juristischer Sprache rigoros jeder Aspekt einer Paarbeziehung klar geregelt.

Der Film begleitet die zwei Protagonist:innen in ihrem alltäglichen Leben, in ihrer Entdeckungs- und Entwicklungsreise.

Während meines Master-Studiums an der HKB lernte ich Jeanne Spaeter kennen. Sie erzählte mir von ihrem Projekt, und obwohl mich anfangs vor allem die Absurdität, die Reality TV Note und das Unterhaltungspotenzial des Projekts interessierte, wurde mir schnell klar, dass wenn ich mich vollständig auf die Beziehung zwischen Jeanne und Mike einlasse, ihre persönliche Reise und das alltägliche Leben unbeschönigt dokumentiere, ich eine Tiefe erreichen kann, die viel näher an unseren eigenen Beziehungen liegt, als ich zuerst vermutet hatte.

Ich gehe an meine Arbeit mit einem Gefühl der Offenheit und Spontaneität heran und und lasse zu, dass sich die Filme organisch entwickeln und entfalten, während ich sie mache.– Yannick Mosimann, Filmemacher

Du arbeitest als Musiker, Fotograf und Filmemacher. Inwiefern beeinflusst die eine Kunstform die andere?

Ich fühle mich nicht spezifisch zu einer Kunstform hingezogen. Eine Fotografie kann mich für ein Musikstück inspirieren, oder ein Geräusch zu einer Filmidee. Jedoch arbeite ich in den letzten Jahren hauptsächlich mit analogem 16-mm-Film, in Verbindung mit manuellen Bearbeitungstechniken. Ich fühle mich von der Körperlichkeit des Mediums angezogen und von der Art und Weise, wie es die Essenz eines Moments in der Zeit einfangen kann. Die Arbeit mit Film ermöglicht es mir, eine direkte Verbindung zwischen meinem Körper und dem Prozess der Bilderstellung herzustellen, was sowohl für mich selbst eine zutiefst körperliche und sinnliche Erfahrung bedeutet. Einer der wichtigsten Aspekte meiner Arbeit ist die Improvisation. Ich gehe an meine Arbeit mit einem Gefühl der Offenheit und Spontaneität heran und und lasse zu, dass sich die Filme organisch entwickeln und entfalten, während ich sie mache. Anstatt ein vorher festgelegtes Ergebnis zu entwerfen, betrachte ich meine Filme als Entdeckungsreisen, die Zufälle und unbewusste Erkundungen beinhalten. Meine letzter Film I HAVE NOT BEEN AFRAID… ist zuerst als Musikstück angedacht gewesen, danach wurde es ein Buch und endete letztendlich in einem Film.

Verarbeitest Du in Deinen Projekten persönliche Ängste? In Deinem Film I HAVE NOT BEEN AFRAID OF GOING BLIND FOR A LONG TIME geht es um Erblindung. Was hat es damit auf sich?

Der Film ist eine Art Tagebuch, mein Versöhnungsversuch mit der Kamera, dieser visuellen Prothese, die ich hasse und liebe zugleich, ein ständiges Oszillieren zwischen dem natürlichen und dem mechanischen Auge. Der Freude, die tieferen Schichten des Sehens zu entdecken, und der Angst, wohin meine Erkundung letztendlich führen könnte. Die Angst zu erblinden ist eine reale, die ich seit ich denken kann habe und wird wohl unbewusst immer Teil meiner filmischen Arbeit sein, denke ich. Der Titel des Filmes ist eine schriftlicher Tagebucheintrag den ich zum Ende der Filmphase mir notiert habe.

© Yannick Mosimann

Synopsis NORMAL LOVE

Jeanne und Mike lernen sich kennen, treffen Familie und Freund:innen, schlafen miteinander, machen gemeinsam Urlaub, feiern Geburtstage und sagen: «ich liebe dich». Ihre Beziehung beruht jedoch auf einem Vertrag mit vierzehn Klauseln, welche alle Bereiche des Zusammenseins definieren. Eine Videokamera ist ihr steter Begleiter. Ein Film über ein soziales Experiment und gleichsam ein Porträt einer jungen Generation auf der individuellen Suche nach der Bedeutung von Liebe, Identität und Vertrauen.

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