Blair Witch 2: Book of Shadows USA 2000 – 90min.
Filmkritik
Die Hexe in uns
Was tun junge Menschen, wenn sie vom Bösen besessen sind? Geheimnisvolle, von unbekannter Hand gedrehte Videoaufnahmen und die Bilder von Jeff Donovans Hausüberwachungsanlage deuten es an. Der zweite Streich zum Blair-Witch-Mythos unter der Regie von Joe Berlinger ("Paradise Lost") ist ein manchmal lustiger, ansprechend ausgestatteter, ein klein wenig gruseliger, niemals aber wirklich beängstigender Unterhaltungsfilm geworden.
Jeff Donovan aus Burkittsville macht den Blair-Witch-Mythos zur Touristenattraktion. Vier Leute haben angebissen und melden sich zur ersten Hexentour in die Black Hills: Die schwangere Tristen und ihr Partner Stephen, die für ein Buch zum Thema "Blair Witch: Hysterie oder Historie" recherchieren, die von weisser Magie begeisterte, selbsternannte Hexe Erica, und schliesslich die Grufti-Frau Kim, die zwar nicht an die Hexe glaubt, und nur mit von der Partie ist, weil sie "The Blair Witch Project" cool fand. Bepackt mit Proviant und einem Video-Equipment, dessen Wert wohl die gesamten Produktionskosten von "The Blair Witch Project" übersteigt, dringen sie in die Tiefen des Waldes vor. Bei der Ruine des Hauses, in dem der Einsiedler Rustin Parr auf Geheiss der Hexe von Blair sieben Kinder ermordet haben soll, schlagen sie ihr Lager auf. Da wird Whiskey gekippt und an Joints gesaugt. Bis zur Bewusstlosigkeit. Kein Wunder, dass schon der nächste Morgen eine Katastrophe verheisst: Reste von Stephens Manuskript schneien in Flocken vom Himmel. Und weh! - die ganzen schönen Kameras sind spurlos verschwunden. Beinah nebensächlich immateriell erscheint da Tristens Unterleibsblutung, die kurz darauf einsetzt und die Gruppe zur Rückkehr in die Zivilisation drängt. Kims mediale Kräfte helfen, das Versteck, wo ein Stapel Videobänder in einem Erdloch vergraben liegt, zu orten. Tristen verliert im Krankenhaus ihr Kind durch eine Fehlgeburt. Die jungen Leute nehmen Einzug in das famose Quartier des Gauners Jeff in einer verlassenen Fabrik. Dort wird jeder Raum rund um die Uhr durch Kameras überwacht. Willkommen bei WitchBrother! Erst jetzt beginnt der eigentliche Horrortrip: die Auswertung der Videobänder wird begleitet von merkwürdigen Begebenheiten an Leib und Leben der Beteiligten...
Schon die Heiterkeit und Feuchtfröhlichkeit dieser munteren Touristen zu Beginn ihrer Expedition lässt an der Ernsthaftigkeit ihres Unterfangens zweifeln. In "The Blair Witch Project" konnte man mit den Protagonisten mitfühlen und -fürchten, weil man sie für echte Menschen hielt, weil sie sich wie echte Menschen verhielten - und nicht zuletzt, weil damals die Perspektive des "allwissenden" Autors fehlte. Die Hauptcharaktere in "Blair Witch 2" wirken wie aus der Schublade gezogen: Schwarzhaarige, weiss geschminkte Punk-Braut; rotlockige Blumenkränzchen-Kristallkugelfrau mit weissem Pfirsichteint; Halbwissenschaftler, die sich gerade so gut anziehen und frisieren, um von den "anständigen" Leuten nicht für Freaks gehalten zu werden, und dennoch bei den Freaks nicht für Spiesser zu gelten. Schieber und Hightech-Aficionado, für das Product Placement zuständig: Sony, Jack Daniels, eBay.
Die wohlkomponierten Szenenbilder (Production Design: Vincent Peranio) und packend gedrehten Eindrücke von diesen der Hysterie verfallenden Leuten zeitigen zwar - auch dank ihrem moderat trashigen Stil - an mancher Stelle kleinere Schockeffekte, wirklich bang wird einem dabei kaum. Die Ungewissheit - "Was zum Teufel geht hier vor?" - ist gegenüber "The Blair Witch Project" zu komplex geworden. Hier sieht man zuviel vom Monster, denn das Monster ist in den Protagonisten selbst verkörpert. Ein einziger Close-up auf Heather Donahues rotztriefende Nasenlöcher war furchterregender als alle okkulten Wundmale unserer klischierten Hexen-Touristen zusammen. Statt durch Identifikation mit einem Opfer in Angst und Schrecken versetzt zu werden, sehen wir in "Blair Witch 2" bloss noch durch die korrekt kadrierte Kamera zu, wie andere Angst haben vor sich selbst.
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