Okay Dänemark 2002 – 93min.

Filmkritik

Alles Okay!

Patrick Becker
Filmkritik: Patrick Becker

Nachdem der Arzt Netes Vater nur noch wenige Wochen Lebenszeit vorausgesagt hat, bringt sie ihn in der Familienwohnung unter. Während dadurch die familiären Konflikte von Tag zu Tag zunehmen, geht es dem Vater immer besser. Jesper W. Nielsen schafft gekonnt den schwierigen Spagat zwischen Drama und Komödie mit berührenden Szenen, viel Humor und sympathischen Darstellern. Typisch Dänisch!

Alles dreht sich um Nete (Paprika Stehen). Sie ist Mitte Dreissig, wohnt mit ihrem erfolglos schriftstellernden Mann Kristian (Troels Lyby) und der pubertierenden Tochter (Molly Blixt Eglind) in einer bescheidenen Wohnung und arbeitet nebenbei als Sozialarbeiterin. Als bei ihrem permanent hustenden Vater (Ole Ernst) eine unheilbare Krankheit festgestellt wird und der Arzt seine Lebenserwartung auf zwei bis drei Wochen festlegt, nimmt Nete ihn zu sich. Der Platz ist begrenzt, die Konflikte nehmen durch den komplizierten Vater zu, und nach vier Wochen geht es ihm immer besser…

"Okay" ist ein schrecklich abgenutztes und nichts aussagendes Wort. Es ist nicht schlecht und auch nicht gut, sondern beschreibt einen Mittelzustand der noch so weitläufig sein kann. "Okay" handelt vom Familienleben zweier Eltern Ende dreissig, einer pubertierenden Tochter und der Midlife-Crisis. Eine Phase, in der man sich um Gleichgewicht bemüht und auf gewisse Fragen mit "Alles okay" antwortet.

Nete stellt eine starke Frau mit herzhaftem Humor und doch so vielen kleinen Fehlern dar. Ihr Mann Kristian ist sensibel, verbirgt aber gewisse Dinge aus Angst, sie offen auszusprechen und kann gemäss Regisseur Jesper W. Nielsen als Inkarnation des "Neuen Mannes" angesehen werden, der in den Siebzigerjahren aufgewachsen ist. Als sich Netes Vater in der kleinen Wohnung breit macht, ist es aber alles andere als okay.

Nielsen neuster Film versprüht einen typisch skandinavischen Charme. Er verbindet, wie schon "Elling", "Italian for Beginners" oder "Shake It All About", ein ernstes Thema mit jeder Menge Humor und schafft dabei das Kunststück, auf dem schmalen Grat zwischen Drama und Komödie zu wandern, ohne dabei abzustürzen. Dass dies funktioniert, liegt sicher auch am Drehbuch, das zwar völlig durchkonstruiert ist, doch nur so vor witzigen Details, gefühlvollen Szenen und frischem Humor strotzt.

Die Nebenhandlung mit Netes Bruder, der als Zuchtstier für ein lesbisches Paar herhalten muss, ist sicherlich überzogen und auch mit einigen Klischees versehen, macht aber jede Menge Spass und wirkt durch die sympathischen Darsteller alles andere als künstlich. Überhaupt überzeugt "Okay" durch wunderbare Darsteller, allen voran Paprika Steen, bekannt aus den Dogma Filmen "Festen", "Idioterne", "Mifune" und "Open Hearts". Sie spielt ihre Rolle mit einer beeindruckenden Leinwandpräsenz. Aber auch Troels Lyby ("Idioterne", "Shake It All About*") geht in seiner Rolle richtiggehend auf.

Trotz des ernsten Hintergrund-Themas handelt es sich bei "Okay", um ein "Feel Good Movie". Nur kommt man hier wesentlich befriedigter aus dem Kino als bei den meisten Hollywood-Komödien, denn obwohl es an absurden Szenen und quirligen Charakteren nicht mangelt, sind sie hier einfach viel natürlicher und glaubhafter, und dies lässt einen ebenso mitleiden wie auch mitlachen.

"Okay" hat an den Filmfestspielen in Locarno 2002 zurecht den C.I.C.A.E. Preis (Preis der europäischen Arthouse-Kinos) erhalten, bei denen die Hauptdarstellerin Paprika Steen zugleich ihren ersten eigenen Film vorangekündigt hat. Man darf gespannt sein.

18.05.2021

4

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Kommentare

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skastley

vor 21 Jahren

Absolut geniale Geschichte. Gute Schauspielerleistungen


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