Intime Fremde Frankreich 2004 – 104min.
Filmkritik
Liebe ist eine unheilbare Krankheit
Patrice Leconte bleibt sich treu: Nach den subtilen Werken "Ridicule" und "Le mari de la coiffeuse", die eine wunderbare Balance zwischen origineller Künstlichkeit und absolut lebensechten Zutaten hielten, kommen in seinem jüngsten Streich wiederum die genauen Beobachter und wachen MitdenkerInnen auf ihre Rechnung. So ernsthaft und vergnüglich lässt man sich gern in Noch-Ehe und Ex-Ehe-Probleme hineinziehen.
Anna, rund 35 Jahre alt, verkörpert durch die überzeugende Sandrine Bonnaire, begibt sich in psychotherapeutische Behandlung, weil ihr Mann sie nach vielen Jahren der Ehe nicht mehr begehrt. Dieser Normalfall wird angereichert durch die weiterbestehende Liebe ihres Manns, der - nach einem Unfall leicht handcapiert - von ihr verlangt, dass sie sich einen Liebhaber sucht und ihm die Begegnungen schildert.
Der Therapeut (ein wunderbarer Fabrice Luchini) entpuppt sich allerdings bald als Steuerberater, der auf Grund einer Verwechslung diese Position einnehmen konnte. Doch da ist es bereits zu spät: Annas offene Erzählungen und die echte Anteilnahme des frisch geschiedenen William verbinden sie zu einem unfreiwilligen Therapeuten-Patientin-Gespann, das beiden die Chance eröffnet, ihr Leben zu analysieren und sich endlich weiterzuentwickeln.
Denn auch William hängt an seiner Ex-Frau, mit der er mehrere Runden auf dem Hochzeits-Scheidungs-Karrussell gedreht hat. Er ist ein träges, bequemes, aber sensibles Gewohnheitstier, das nicht nur seine Kanzlei, sondern auch die Klienten und die Sekretärin von seinem Vater geerbt hat, obwohl er eigentlich nie Steuerberater werden wollte. Immerhin liebt er seinen Beruf, weil er an den Leben seiner Klienten teilhaben kann, denn kaum etwas verrät mehr über den Lebenslauf als die Steuererklärung: Karriere, Einkommen, Häuser, Wertsachen, Hochzeiten, Kinder, Scheidungen, Todesfälle und was es an steuerrelevanten Details mehr gibt.
Was vielleicht nach einer künstlich konstruierten Konstellation klingt, deren Verlauf allzu offensichtlich zu sein scheint, wirkt angenehm natürlich, dank der mit liebevollen Details aufwartenden Inszenierung und des tragenden Schauspiels der Akteure - auch die Nebenrollen sind geglückt besetzt. Obwohl fast vollständig in wenigen Studioräumen gedreht wurde, ermüdet das Auge nicht, weil Leconte immer wieder mit visuellen oder szenischen Einfällen auflockert. Seinem unaufgeregten Sujet entsprechend, verzichtet er weitgehend auf Knalleffekte und vermeidet plumpe Wendungen - im Gegenteil: Die Handlung überrascht mehrmals, ohne dass gewaltsam dramatische Tricks eingesetzt würden.
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