Offside Iran, Israel 2006 – 92min.

Filmkritik

Zu Gast bei Fremden

Stefan Gubser
Filmkritik: Stefan Gubser

Frauen im Iran war bis vor kurzem der Stadionbesuch untersagt. Dass sie den Männern neuerdings beim Fussball spielen zusehen dürfen, ist kaum eine unmittelbare Folge von Jafars Panahis Kick-Flick. Gut ist der Film dennoch, mutig auch.

Es gab auch Pfiffe für Jafar Panahi, als "Offside" auf der diesjährigen Berlinale lief. Und sie wurden nicht leiser, als die Fussball-Komödie mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Exil-Iraner mochten nichts Gutes in dem Kick-Flick sehen, der von Frauen handelt, die festgenommen werden, weil sie versuchen, in Teherans Riesenstadion das WM-Qualifikationsspiel Iran gegen Bahrain zu sehen. "Offside", so monierte man, sei ein "regimefreundlicher Propagandafilm", und die Berlinale nehme Partei für "ein faschistisches Regime". Ziemlich frei nach der Logik, ein Film, den die Zensur abnickt, muss einem Präsidenten das Wort reden, der Israel von der Landkarte "verschwunden" sehen will, wenn nötig per Atombombe.

Nun hat der böse Mann aus Teheran vor kurzem das Verbot aufgehoben, das es Frauen untersagte, Männern öffentlich beim Kicken zuzuschauen. Noch rätselt der Westen, ob es Mahmoud Ahmadinejad nicht länger zu vertreten schien, weil der Koran nirgends explizit behauptet, Frauen sei der Anblick nackter Fussballer-Beine nicht zumutbar, und auch nicht die sprachliche Vulgarität, die im Stadion den Diskurs bestimmt. Der Wahrheit am nächsten kommt wohl die Vermutung, Ahmadinejads Charme-Alarm sei die Reaktion auf die Drohung der deutschen Regierung, ihn, der sich die WM-Spiele seines Nationalteams gerne im Stadion ansähe, nicht einreisen zu lassen. Die Vorstellung, allein zu Hause sitzen zu müssen, während die Welt zu Gast bei Freunden ist, scheint eben schmerzhafter als jedes real verhängte UNO-Ultimatum.

Zurück zum Spiel, Verzeihung, Film. Die neckischste Pointe von "Offside" - fast in Echtzeit und ausschliesslich mit Laien am Rande des besagten WM-Qualifikationsspiels gedreht - ergibt sich aus Pahanis Ansatz, die Geschichte aus der Perspektive der Frauen zu erzählen, die sich (höchst dilettantisch) als Jungen verkleidet haben, trotzdem geschnappt und, während das Spiel läuft, vor dem Stadion festgehalten werden, bis man sie der Sittenpolizei überstellen kann. Genau wie den Frauen wird auch der Kino-Kurve kein Blick auf den Rasen gewährt - für den Hardcore-Fan ein Gefühl wie neunzig Minuten Heavy Petting ohne Aussicht auf einen Torschuss.

Wie die Frauen hat der Zuschauer am Spielgeschehen nur über die anschwellenden Fan-Gesänge und ihr jähes Verstummen teil; das grösste Glück sind ein paar Minuten "Radio", als es gelingt, einen Bewacher mit freier Sicht aufs Mittelfeld zum Kommentieren zu überreden. Der Rest ist Warten, ist Wut, sind Wortwechsel. Sind Gespräche, im Verlaufe derer zwar nie jemand sagt: "Ahmadinejad ist ein antisemitisches, misogynes Schwein, möge Bush ihm bald zeigen, wo der Bartel den Most holt", aber immerhin wird die grandiose Lächerlichkeit dieser verordneten Geschlechtertrennung evident, die für nichts weniger als die Verdrängung der Frau aus dem öffentlichen Leben steht, und zeigen sich sogar die Soldaten bisweilen als blosse Ausführer von Befehlen, die sie selbst nicht für sinnvoll halten. Zum Schluss feiert eine Stadt zwar die geschaffte WM-Qualifikation ihrer Nationalmannschaft, aber der Jubel-Trubel ermöglicht den Frauen auch, in der Menschenmenge unterzutauchen. Wer da das Subversive nicht erkennt, hat Tomaten auf den Augen.

15.12.2020

4

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Kommentare

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tobiassigrist

vor 18 Jahren

Ich habe den Film heute gesehen und lustigerweise hatte es heute in der Zeitung einen Artikel, dass die Frauen ab sofort im Iran auch in die Stadien dürfen.
Der Film ist wirklich empfehlenswert, die ganze Situation wird witzig dargestellt, aber man merkt doch wie ernst der Hintergrund ist bzw. warMehr anzeigen


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