Filmkritik
Wenn aus Freundschaft Familie wird
Ohne an dieser Stelle gleich eine feministische Debatte lostreten zu wollen, kann man vermutlich problemlos behaupten, dass es Frauen - wie in so vielen Berufen - auch hinter der Filmkamera mitunter etwas schwerer haben. Die weiblichen Regisseure, die mal für einen Oscar nominiert waren, kann man an einer Hand abzählen, und nicht einmal beim Deutschen Filmpreis hat es kürzlich für Doris Dörrie gereicht.
Dabei ist gerade im deutschsprachigen Kino derzeit eine so große Zahl hoch begabter Regisseurinnen am Werk wie nie zuvor. Zu bereits etablierten Namen wie Barbara Albert, Bettina Oberli oder Sylke Enders stoßen immer neue Kolleginnen hinzu, die durch die Bank viel versprechende Debütfilme vorlegen: Sonja Heiss («Hotel Very Welcome»), Birgit Grosskopf («Prinzessin») oder nun eben Julia von Heinz.
Die Berlinerin, die die unter anderem bei Rosa von Praunheim gelernt und bereits einige Kurzfilme inszeniert hat, schrieb das Drehbuch gemeinsam mit John Quester und erzählt darin von einer ungewöhnlichen Mädchenfreundschaft.
Carla (Paula Kalenberg) ist von zu Hause abgehauen und auf dem Weg nach Lyon, wo sie sich zur Modedesignerin ausbilden lassen will, als ihr sämtliches Geld und alle Unterlagen gestohlen werden. Der zwielichtige Rico (Vinzenz Kiefer) nimmt sie, nicht ohne Hintergedanken, bei sich auf und bietet ihr sogar einen Job beim Ausbau eines Hausboots. Dort lernt sie Lucie (Marie Luise Schramm) kennen, die sich ohne Wohnsitz durchschlägt und nebenbei auch noch ihren Bruder (Benjamin Kramme) durch den Entzug begleitet.
Zwischen den beiden Mädchen entwickelt sich eine enge Freundschaft, und als Carla entdeckt, dass sie schwanger ist, hilft Lucie nicht nur mit einer Versicherungskarte aus, sondern bietet auch an, das Baby aufzuziehen, wenn Carla doch noch nach Frankreich aufbricht. Die beiden finden eine Wohnung und übernehmen für einander Verantwortung, aber schon bald stehen ihrem alternativen Familienmodell extreme Belastungsproben bevor...
Es sind arg viele Themen und Konflikte, die die Filmemacherin in ihren ersten Langfilm packt, von Drogen über Armut bis hin zu ungewollten Teenagerschwangerschaften. Weniger wäre in diesem Fall tatsächlich mehr gewesen, denn ein allzu dicker Auftrag oder gar Klischees (mit denen vor allem die männlichen Figuren zu kämpfen haben) sind das letzte, was eine derart ernsthaft erzählte Geschichte braucht.
Julia von Heinz' sehr geschickte und vor allem behutsame Inszenierung macht solche Schwächen allerdings beinahe wieder wett. Der sehr feine und ehrliche Blick, den sie auf die spezielle, durchaus homoerotische Freundschaft ihrer Protagonistinnen wirft, ist absolut sehenswert und macht «Was am Ende zählt» zu einem angenehm unaufdringlichen Kinoerlebnis. Genau wie ihre sehr überzeugenden Hauptdarstellerinnen empfiehlt sich die Regisseurin damit dringend für neue Aufgaben!
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