Filmkritik
Bollywood: Ein Rezeptbuch
Die Inderin Zoya Akhtar nimmt sich in ihrem Erstling gar viel vor: Eine nach Hollywood-Schema arg konstruierte Komödie, die auch Bollywood-Liebhaber auf ihre Kosten kommen lässt. Das klingt schlimmer als es ist, denn dank familiärer Hilfe unterhält das Werk ziemlich gut.
Wenn in einer der ersten Szenen der Lehrer an der Schauspielschule die Karriere-Chancen in Hollywood mit denjenigen in Bollywood vergleicht und zum Schluss kommt, dass es in Bollywood schwieriger sei, weil man auch noch gut singen und tanzen können müsse, ist das nicht nur Ausdruck von Chauvinismus und Zweckpessimismus zur Motivationsförderung, sondern die direkte Folge des banalen Umstands, dass in der mit Abstand grössten Filmschmiede zwar viele Jobs angeboten werden, dass aber der Selektionsdruck bei fast einer Milliarde Einwohnern wohl nirgends sonst so hoch ist. Wie man es unter diesen wahrhaft albtraumhaften Voraussetzungen überhaupt schaffen kann, die ersten Sprossen der Karriereleiter zu erklimmen, ist eines der beiden zentralen Themata.
Zoya Akhtar hat damit ein gleich doppelt naheliegendes Sujet gewählt, steht sie doch selbst am Anfang ihrer Karriere und stammt aus diesem Milieu. So verfasste ihr Vater, ein arrivierter Drehbuchautor, der auch bei "Lagaan" mitwirkte, die Dialoge. Ihrem Bruder (Farhan Akhtar), einem unkonventionellen Bollywood-Produzenten, diente sie die Hauptrolle an. Er mimt einen Schauspieler, der seine Ausbildung abschliesst und dann mit vielen Mitteln versucht, einen Fuss in die Tür zu kriegen. Seine Nachbarin (Konkona Sen Sharma) ist schon ein paar Jährchen in diesem Schwebezustand, was arg an ihrem Nervenkostüm kratzt, und so kann sie einer Liebesaffäre kaum widerstehen.
Das zweite zentrale Thema sind die Produktionsbedingungen. Zoya Akhtar blickt dazu fachkundig, spöttisch und entlarvend hinter die Kulissen. Natürlich überzeichnet sie, wenn Produktions-, Drehbuch oder Besetzungspläne kaum die Halbwertszeit der Launen von Regisseuren und Produzenten erreichen, aber man erfährt auch viel über diese eigene Welt, in der es zwar keine klassischen Kasten mehr gibt, stattdessen Beziehungsnetze und ans europäische Mittelalter erinnernde Ritual- und Talismangläubigkeit. Geschickt verbannt die Regisseuse die bollywood-typischen Gesangs- und Tanzeinlagen in die Ebene der Produktion, wodurch sie relativ kurz sind und die andere Erzählebene frei bleibt, um die Beziehungs- und Karrieregeschichte westlich konventionell erzählen zu können.
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