Ricky Frankreich, Italien 2009 – 90min.
Filmkritik
Bizarrer Genremix
Als tristes Sozialdrama beginnt Francois Ozons Film, schlägt dann aber zunehmend wunderbare oder surreale Haken, denn dem Kleinkind Ricky beginnen an den Schultern Flügel zu wachsen, mit deren Hilfe er bald nicht nur durch das Kinderzimmer fliegt.
Trist verläuft das Leben Katies (Alexandra Lamy), die allein mit ihrer zehnjährigen Tochter Lisa (Melusine Mayance) in einem heruntergekommenen Wohnsilo lebt. Glückliche Momente scheint es für die Beiden nicht zu geben und die kalten Farben des Winters und einer sterilen Fabrik verstärken noch die deprimierende Atmosphäre, die an die Filme der belgischen Dardenne-Brüder erinnert. Doch dann lernt die junge Mutter an ihrem Arbeitsplatz den Spanier Paco (Sergi López) kennen und stürzt sich kopfüber in eine Affäre. Bald zieht Paco bei Katie und Lisa ein, und schon wird ein Kind (Arthur Peyret) geboren.
Das familiäre Glück stellt sich damit aber nicht ein, denn eifersüchtig blickt Lisa auf den neuen Bruder und sein Geschrei beeinträchtigt auch das Zusammenleben der Eltern. Als Katie Paco verdächtigt Ricky zu schlagen, wird es dem Vater zu viel und er nimmt Reissaus. Die blauen Flecken an Rickys Schultern erweisen sich aber bald nicht als Folge von Schlägen, sondern als Vorboten wachsender Flügel. Versucht die Mutter das Wunder zunächst zu verheimlichen, so wird es allgemein publik und zum medialen Ereignis, als Ricky sich im Supermarkt selbstständig macht und lustvoll über die Regale fliegt.
Diese surrealen Momente stehen scheinbar im Widerspruch zur realistischen, von großen, die Handlung konsequent und knapp vorantreibenden Ellipsen bestimmten Erzählweise. Doch Ozon spielt das Wunderbare so aufdringlich aus, dass bald klar ist, dass dieses Kind nur als Katalysator fungiert. Mit Fantasy hat der Franzose nämlich nichts am Hut und auch die Mystery-Thriller-Spannung, die er teilweise im Stile von "Damien" oder "Joshua" aufbaut, soll den Zuschauer nur in die Irre führen. Im Zentrum steht vielmehr bei diesem Regisseur, der schon in "5x2" eine Paarbeziehung auslotete und der sich in "Le temps qui reste" mit dem Tod auseinandersetzte, die Erkundung des Gefüges "Familie" und eine modellhafte Untersuchung darüber, wie sich durch die Ankunft eines neuen Erdenbürgers das Zusammenleben der Angehörigen ändert und wie leicht der Traum vom Familienglück in einen Albtraum kippen kann.
Lässt man sich auf das bizarre Moment des Fliegens freilich nicht ein, kann man "Ricky" leicht als Absurdität abtun. Aber auch dann, wenn man sich auf Ozons Spiel einlässt, wird man nicht ganz glücklich mit dem Film. Unklar bleibt nämlich beispielsweise, wie und wo die den Film einleitende Erklärung Katies gegenüber einer Sozialbehörde einzuordnen ist. Wie immer man aber zu diesem kühnen Genremix stehen mag, ein eigenwilliges und irritierendes Werk, das man nicht so leicht aus dem Kopf bekommt, ist "Ricky" gewiss.
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Kommentare
Eine schönes Märchen mit sozialem Hintergrund. So eine Mischung hab ich jedenfalls noch nie gesehen. Sehr dezent eingesetzte Special Effects.
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