Mein ein, mein alles Frankreich 2015 – 130min.
Filmkritik
Mon roi
Maiwenn ist, das kann man wohl so sagen, ein Phänomen. Nicht nur als Filmemacherin, wo sie als Ex-Kinderstar, dann Lebensgefährtin von Luc Besson, Model-Karriere und Schauspielerfolgen unter ihren Kollegen sicherlich die interessanteste Laufbahn hinter sich hatte, bevor sie hinter die Kamera wechselte. Sondern auch ganz speziell in Cannes.
Dorthin wurde die Französin nach Polisse in diesem Jahr mit Mon Roi ein zweites Mal in den Wettbewerb eingeladen. Genau wie 2011 war auch dieses Mal die Freude groß, dass eine Frau ins illustre, gemeinhin männliche dominierte Programm aufgenommen wurde, doch in beiden Fällen wehte ihr seitens der Kritik scharfer Wind entgegen. Preise gab es am Ende trotzdem: vor vier Jahren den Prix du Jury, in diesem Jahr den für die beste Darstellerin.
Warum die Presse in Cannes Mon Roi teilweise so wenig abgewinnen konnte, bleibt nicht zuletzt mit genügend Abstand zum Festivaltrubel ein wenig rätselhaft. Denn für Maiwenn, die ihren Nachnamen Le Besco beruflich längst abgelegt hat, ist der Film eine Steigerung auf ohnehin nicht gerade niedrigem Niveau, der man anmerkt, wie sehr die Regisseurin dazugelernt und sich auf ihre Stärken konzentriert hat. Wozu auch gehört, dass sie dieses Mal nicht als Schauspielerin in Erscheinung tritt.
Stattdessen fokussiert sie ganz auf ein ungleiches, hochexplosives Paar, dessen Beziehung verschachtelt und auf zwei Zeitebenen erzählt wird (das Drehbuch verfasste Maiwenn gemeinsam mit Etienne Comar). Die pragmatische Juristin Tony (Emmanuelle Bercot) und der Luxus liebende Restaurantbetreiber Georgio (Vincent Cassel) schweben nach ihrem zufälligen Kennenlernen im Nachtclub auf Wolke 7, bald wird geheiratet und dann folgt ein Kind. Doch die Zeichen dafür, dass die Euphorie nicht ewig halten kann, mehren sich früh. Und tatsächlich scheint es schließlich so, dass die beiden nicht wirklich mit-, aber eben auch nicht ohne einander können.
Als Geschichte fürs Kino ist das sicherlich nicht neu, und tatsächlich mag man auch jenen Kritikern nicht unbedingt widersprechen, die Mon roi vorwerfen, dass er mindestens 20 Minuten zu lang und visuell wenig originell ist. Doch die Details, Fallstricke und Strukturen einer destruktiven Partnerschaft fängt Maiwenn eindringlich, präzise und mit großer emotionaler Wucht ein. Mit Vincent Cassel und Emmanuelle Bercot (deren Regiearbeit La tete haute in Cannes eröffnete und gerade in den Kinos lief) hat sie obendrein zwei Hauptdarsteller, die auf ganzer Länge mit nuancierten Darstellungen komplexer Figuren überzeugen. Das erfreut vor allem im Falle von Tony, deren Perspektive der Film konsequent einnimmt: von derart komplizierten, durchaus anstrengenden, aber niemals ein dimensional zum Opfer werdenden Frauen gibt es im Kino leider viel zu wenige.
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Kommentare
Der Film führt die Tradition der großen Ehedramen fort, die wir seit Ingmar Bergmann (‘Szenen einer Ehe‘), Mike Nichols (‘Virginia Woolf‘) oder auch Franz Peter Wirth (‘Die Zimmerschlacht‘) her kennen. Aus dem großen Topf könnte man noch ‘Das Piano‘, ‘Die Verachtung‘, Little Children’ oder auch Fassbinders ‘Martha‘ nennen.
Mai?wenn hat im Gegensatz zu den genannten Beispielen in gut zwei Stunden alle kleinen und großen Ehrprobleme hineingepackt die man sich nur vorstellen kann, inklusive Kinderwunsch und Scheidung. Dabei geht sie von einer überschwänglichen supergroßen Liebe aus. Der deutsche Titel ist genauso ironisch wie der des Originals: ‘Mein König‘, und ähnelt fast dem geflügelten Wort ‘Mein Herr und Gebieter‘.
Diese Ironie wird von Anfang an durch die beiden grandiosen Hauptdarsteller Vincent Cassel (Georgio) und Emanuelle Bercot (Tony) überhöht und damit der tiefe Fall noch tiefer. Es wird deutlich, dass diese Amour Fou nur so lange geht, bis das Harmoniebedürfnis und die Leidensfähigkeit von Tony erschöpft sind. Die Beziehung bekommt aber immer wieder neue Nahrung von der gegenseitigen sexuellen Lust.
Ausgangspunkt und Parallelhandlung ist Tonys Skiunfall mit anschließendem Reha Aufenthalt. Dieser symbolträchtige Heilungsprozess hinterlässt bei ihr deutliche Spuren. Während sie weiter heranreift, bleibt er am Ende eigentlich, was er immer war: ein ‘dämlicher Arsch‘. Und durch das augenfällige Umschalten von einem ‘Vorher‘ und ‘Nachher‘ des Skiunfalls kommt zusätzlich Spannung auf.
Eine überzeugende, turbulente Charakterstudie aus dem Ehealltag mit Änderungspotential. Es soll weibliche Zuschauer gegeben haben, die immer wieder mit dem Wunsch kämpfen mussten, vorzeitig das Kino zu verlassen, weil die dem psychologischen Druck verstärkt durch eigene leidvolle Erfahrungen fast nicht gewachsen waren.… Mehr anzeigen
Sehr emotionales und reales Kinoerlebnis mit exzellenter und authentischer schauspielerischer Leistung von Emannuelle Bercot und Vincent Cassel. So mancher Erwachsene mit Beziehungsvergangenheit(en) wird sich in diesem Film wiederfinden. Besonderes Zitat "Eine Beziehung wird sehr oft aus dem selben Grund beendet weshalb sie angefangen wurde"… Mehr anzeigen
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