Madame Frankreich 2017 – 91min.
Filmkritik
People love Happy Endings
„People love happy endings“ – zumindest Märchen halten diesen Rat aus «Madame» immer ein. Gut, dass die Dramakomödie diesen Spruch selbst nicht allzu ernst nimmt.
Da die Ehe von Anne (Toni Colette) und ihrem dreissig Jahre älteren Ehemann Bob (Harvey Keitel) etwas eingerostet ist, verbringt das ungleiche Paar den Sommer in einem ehrwürdigen Stadthaus in Paris und will so neuen Schwung in die Beziehung zu bringen. Daraus wird aber vorerst nichts: Als sich Annes Stiefsohn Steven (Tom Hughes) zum Galadinner spontan selbst einlädt und Anne 13 Gäste an der illustren Tafel als Unglücksomen empfindet, spannt sie das Dienstmädchen Maria (Rossy de Palma) als vierzehnten Gast ein – mit der Anweisung, sich möglichst unauffällig zu verhalten. Entgegen von Annes Plänen sorgen aber ein Glas Wein und einige schlüpfrige Witze dafür, dass ein feiner irischer Kunstexperte dem speziellen Charme der Spanierin verfällt. Weil die stets korrekte und penible Anne befürchtet, dass ihr gut behütetes Geheimnis aufzufliegen droht und ihrem Dienstmädchen auf keinen Fall eine frische Liebschaft gönnt, setzt die High-Society-Lady alles daran, das unerwartete Glück zu sabotieren…
Auf den ersten Blick ist Madame ein modernes Märchen à la Cinderella, das mit der französischen Hauptstadt einen wunderschönen Schauplatz gefunden hat: Der Prinz wählt die nicht ganz so naheliegende Option und verliebt sich in das Dienstmädchen. Wenn man genauer hinschaut, entpuppt sich das Märchen aber als nicht allzu prächtig: Der Prinz scheint doch nicht so ehrenhaft, wie man zunächst denken würde, und die Fassade der perfekten Anne beginnt spätestens dann zu bröckeln, als sie verzweifelt und zu allem bereit versucht, das ihr verwehrte Liebesglück auch ja niemandem um ihr herum zu gewähren. Kommt hinzu, dass dem Publikum mit der Figur des Dienstmädchens Maria (Rossy de Palma) zumindest optisch eine sehr atypische Prinzessin vorgesetzt wird: Eine krumme Nase, Schuhgrösse 43 und das manchmal naiv-kindliche Verhalten lassen einen nicht sofort den Vergleich zu Aschenputtel und Co. ziehen. Dass die hoffnungslose Liebesgeschichte trotz Klischees und teils überzeichneten Figuren dennoch glaubhaft aufgebaut werden kann, ist vor allem ihrer Darstellerin Rossy de Palma zu verdanken: Die Spanierin, ihres Zeichens Muse von Pedro Almodovar, stiehlt mit ihrer Performance der unterwürfigen, über den Film jedoch zunehmend selbstbestimmteren Angestellten sogar Toni Colette die Show.
Wenn man erst einmal hinter die Fassade des Märchens blicken kann, ist schnell klar, wo die Französin Amanda Sthers mit ihrer zweiten Regiearbeit eigentlich hinwollte: Madame ist zwar als skurrile Liebesromanze getarnt, versucht aber nach und nach, mittels giftiger Pfeilspitzen mit der Upper Class abzurechnen. Das gelingt dem Film im ersten Drittel am besten, wenn sich beim eleganten Dinner unter anderem der Bürgermeister von London und ein neunjähriger Star-Pianist die Ehre geben. Im Vergleich dazu fällt alles, was nach dem ominösen Abendessen passiert, eher ab. Mit dem unaufgeregten aber doch überraschenden Ende schafft es Madame aber, diesen Hänger zur Mitte zumindest ansatzweise wieder aufzufangen. Alles in allem lässt sich damit definitiv der satirisch gewollte Ansatz erkennen – um zum Beispiel an die herrlichen, gesellschaftskritischen Schlagabtäusche in The Party heranzukommen, hätte es dafür aber definitiv noch mehr Bissigkeit gebraucht.
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