Wo ist Anne Frank Belgien, Frankreich, Israel, Luxemburg, Niederlande 2018 – 99min.

Filmkritik

Where is Anne Frank?

Filmkritik: Eleo Billet

Der vom Anne Frank Fonds in Basel initiierte Spielfilm «Wo ist Anne Frank», hervorragend geschrieben und inszeniert vom israelischen Regisseur Ari Folman, der hier seine Erfahrung mit Animationen einbringt, zeichnet die letzten Jahre des gleichnamigen Teenagers nach, während sich ihre imaginäre Freundin Kitty in der Gegenwart auf die Suche nach ihr macht.

Amsterdam, 2020 - Während Kitty gerade durch das Tagebuch von Anne Frank zum Leben erweckt wird, werden Tausende von Asylbewerbern, die vor dem Krieg fliehen, in Europa abgewiesen. Mit Hilfe des jungen Peter, in den sie sich verliebt, verfolgt die Jugendliche das Leben ihrer Schöpferin bis zur Entdeckung ihres plötzlichen Todes vor 75 Jahren zurück, um herauszufinden, wie sie die Erinnerung an sie aufrechterhalten kann.

Es ist eine echte Herausforderung, der sich Ari Folman mit dieser x-ten Verfilmung des Tagebuchs von Anne Frank stellt, die sich diesmal an ein junges Publikum richtet, das der Regisseur allerdings nicht schonen will. Trotz seines pädagogischen Ziels ist der Film weder weichgespült noch moralisierend. Folman präsentiert eine zeitgenössische Erzählung, die von Wunderbarem, aber auch von den Schrecken der Geschichte durchzogen ist. Ausserdem erkennt man schon früh den Willen, die Gefühle während des Krieges über die Tagebucheinträge, die zwischen Juni 1942 und August 1944 geschrieben wurden, hinaus wiederzugeben. Das Publikum wird mit Kitty und Peter nach Bergen-Belsen mitgenommen, um am Grab der Frank-Schwestern zu beten, und erfährt durch die Aussagen von Überlebenden, wie Anne und ihre Familie aus dem Hinterhaus, in dem sie Zuflucht gesucht hatten, deportiert wurden.

Die Handlung, die den Diebstahl der Tagebücher, die Wiedergeburt, die Hilfe für Geflüchtete und die Anprangerung von Polizeigewalt, Krieg, Antisemitismus und Rassismus miteinander verbindet, kann daher nur unzusammenhängend sein, zumal sie jedes Mal, wenn die Heldin das Tagebuch aufschlägt, zwischen zwei Epochen wechselt, was sich mit der Zeit etwas abnutzt. Die Suche des Teenagers bringt nach zwei Dritteln des Films einen neuen Blick auf die Ereignisse, der die Darstellung von Annes Gefühlen unterstreicht.

Kitty, die gegen ihren Willen flüchtet, lernt viele liebenswerte Charaktere kennen, lieben und erhält Hilfe von ihnen, die sie durch die nach Anne Frank benannten Orte der Stadt führen, von denen oft nur ein verstümmeltes Erbe übrig bleibt. So entsteht eine Grundmoral über die Bedeutung der Weitergabe der Erinnerung, um dem Vergessen und zukünftigen Verzerrungen unserer Moral vorzubeugen, wie das groteske Theaterstück zeigt, das Annes Vision verzerrt und wogegen sich das Mädchen auflehnt.

Jede Etappe dieses Strebens nach Freiheit, sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit, ist ein Anlass, die zahlreichen Qualitäten der Animation hervorzuheben: ihre Geschmeidigkeit während der Eislaufsequenzen, ihre meisterhafte Darstellung der Landschaften, die zu wahren Gemälden werden, aber auch die Vielfalt ihrer Vorstellungswelten, die an frühere Arbeiten des Regisseurs erinnern, wo die heulenden Schatten auf der Flucht denen aus «Waltz with Bashir» ähneln, während die Kämpfe im Lager der griechischen Götter und der Hollywood-Schauspieler an die Fantasiegebilde von «The Congress» anknüpfen.

Wenn man am Ende ein paar Tränen vergiesst, dann nicht nur wegen der Schönheit des Werks oder der Relevanz seiner Botschaften, sondern wegen Kitty, die zwar nicht wie ihre Freundin ein tragisches Schicksal erleidet, aber einen bittersüssen Ausklang für ihre kurze Wiedergeburt findet, nachdem sie ihren Peter gefunden und die Welt daran erinnert hat, was Anne Frank bedeutet.

Übersetzung aus dem Französischen durch Maria Engler

20.02.2023

3.5

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