Gagarine Frankreich 2020 – 98min.

Filmkritik

Die Stadt der Sterne

Clélia Godel
Filmkritik: Clélia Godel

Das Regieduo Fanny Liatard und Jérémy Trouilh hat für seinen ersten Spielfilm die Geschichte eines Bewohners der Gagarin-Siedlung in einem Pariser Vorort gewählt, der sich gegen den Abriss wehrt. Der Film wurde offiziell für das Filmfestival von Cannes 2020 ausgewählt und ist ein echter Erfolg.

Der 16-jährige Youri (Asléni Bathily), der sich für Astronomie begeistert, wuchs in der Gagarin-Siedlung in Ivry-sur-Seine auf. Die in den 1960er Jahren als Hommage an den berühmten sowjetischen Astronauten errichtete und 1963 sogar von ihm eingeweihte Wohnsiedlung aus rotem Backstein ist heute baufällig und vom Abriss bedroht. Den Bewohnern fällt es schwer, diese Entscheidung zu akzeptieren, aber für Juri, der sehr an diesem geschichtsträchtigen Ort hängt, ist es unvorstellbar, dass er ihn verlassen muss. Mit seinen Freunden Houssam (Jamil McCraven) und Diana (Lyna Khoudri) setzt der Junge alles daran, seine Stadt zu retten.

Die Regisseure Fanny Liatard und Jérémy Trouilh haben mit der intelligenten Mischung aus der Verträumtheit des Weltraums und dem Leben dieser Vorstadtjugend das ideale Rezept gefunden. Gagarin liegt in der Tat abseits der ausgetretenen Pfade und bietet einen echten Hauch von frischer Luft. Der Film ist weit davon entfernt, ein gewalttätiger oder düsterer Stadtfilm zu sein, er ist vielmehr optimistisch und tröstlich. Das bedeutet nicht, dass die Armut in den Hintergrund tritt: Im Gegenteil, Juris Alltag ist nicht einfach, aber die Entschlossenheit des Teenagers ist bemerkenswert, vor allem wenn er Mitgliedern der Gemeinschaft hilft oder wenn er darauf beharrt, die Aufzüge in den Gebäuden zu reparieren.

Für ihre erste Filmrolle überrascht und beeindruckt Alséni Bathily mit ihrer Genauigkeit. Sein sonniger und sanfter Auftritt ist vielversprechend. Auch die Chemie zwischen ihm und Lyna Khoudri, die von Anfang bis Ende strahlt, lässt Funken sprühen. Die von dem Filmemacherduo geschriebenen Figuren unterscheiden sich einmal mehr von den üblichen Stereotypen und sind ausgesprochen warmherzig.

Juris Erfindungsreichtum und Einfallsreichtum tragen zum Aufbau des traumhaften Universums bei, das den Film umgibt. Der Junge hört nie auf, vom Weltraum und den Sternen zu träumen, und als er seine Wohnung in ein Raumschiff verwandelt, können wir seine Intelligenz nur beobachten. Unermüdlich navigiert er zwischen Traum und Wirklichkeit und lässt uns dabei an seiner Reise teilhaben.

Wenn auch einige Szenen etwas langatmig sind, ist das Ganze mehr als überzeugend und kann auf die dynamische Regie der Regisseure zählen. Das Duo ist nicht nur eine Hommage an ihn, sondern gibt Gagarin eine der Hauptrollen und filmt das riesige Gebäude aus allen Blickwinkeln. Die nun zerstörte Stadt wird dennoch durch die Bilder dieses hervorragenden ersten Films weiterleben.

Übersetzung aus dem Französischen von Clélia Godel durch Alejandro Manjon.

06.01.2022

4.5

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 2 Jahren

Eine Art Gegenbild zu tristen Banlieu-Filmen wie Les Misérables....


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