Costa Brava, Lebanon Libanon 2021 – 106min.

Filmkritik

Eine allzu fragile Utopie

Filmkritik: Maxime Maynard

1990: Der Bürgerkrieg im Libanon endet. Trotz der damit verbundenen Hoffnungen hat das Land weiterhin mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Regisseurin Mounia Akl lässt sich von der Müllkrise des Jahres 2015 inspirieren und präsentiert uns «Costa Brava, Lebanon», ihren ersten poetischen Spielfilm, der im September bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig gezeigt wurde.

Im Libanon vergiftet eine schlechte Müllentsorgung die Städte. Das Land erstickt. Um der stinkenden Luft in Beirut zu entkommen, hat sich die Familie Badri in den Bergen niedergelassen. Sie leben dort völlig autark, als vor den Toren ihres Grundstücks eine Baustelle eingerichtet wird. Dort wird eine Mülldeponie errichtet. Langsam häufen sich Mülltonnen und Unrat an. Der Duft von Fäulnis vermischt sich mit der Luft. In dieser langsam verrottenden Atmosphäre wird der Familienzusammenhalt auf eine harte Probe gestellt.

Ein grüner Berg und in der Ferne die Küste. Eine zauberhafte Natur, in der sich Familie Badri niedergelassen hat, selbstversorgend, abgeschieden von allem. Sie baut Nahrungsmittel an, erntet, repariert und passt sich ihrer neuen Umgebung an. Eine glückliche Familie. Doch diese fragile Utopie hängt an einem seidenen Faden. In die scheinbare geschützte Idylle dieses Kokons dringt allmählich der faulige Geruch der neuen Mülldeponie ein. Sie verseucht die Pflanzen, das Wasser, die Herzen und die Seelen. Ein übel riechender Nachgeschmack der Zivilisation vernebelt den Geist und die Badri werden von unangenehmen Gefühlen heimgesucht: krankhafte Angst vor der Gesellschaft bei den einen, das Bedürfnis nach Flucht bei den anderen.

Nadine Labaki, die erste arabische Regisseurin, die für ihren Film «Capernaum» (2018) für den Oscar nominiert wurde, schlüpft in die Rolle der Mutter Souraya. Als bekannte Aktivistin und ehemalige Sängerin könnte diese Rolle treffender nicht sein. Ihr gegenüber steht der palästinensische Schauspieler Saleh BakriDie Quelle der Frauen», «The Present»). Er verkörpert Walid, den idealistischen und romantischen Vater, der einen schlechten Einfluss auf seine Familie entwickelt, der so schädlich ist wie der Rauch, der aus den verbrannten Abfällen aufsteigt.

Beziehungen, Unstimmigkeiten und Gefühle werden hier beeindruckend durch Gesten und Blicke dargestellt: eine Hand auf der Schulter, ein Lächeln. Die farbenfrohen Augen der Tochter Rim, die von den Zwillingen Ceana und Geana Restom gespielt wird, verleihen dem Film eine meditative Aura. Eine Subtilität, welche den sehr virulenten Dialogen oft fehlt. Worte werden in offensiven Wortfluten zu Waffen. Wir verlieren uns in einer stimmlichen Aggression, die, wenn auch gelegentlich notwendig, häufig überzukochen scheint.

«Costa Brava, Lebanon» wird zur Stimme eines Volkes, eines Genres, eines Planeten. Diese Vielzahl an Tonalitäten und Verbindungen der Themen werden auf einfache Weise herbeigeführt und funktionieren klar. Trotz einiger verwirrender Wortwechsel geht Mounia Akl mit der Ästhetik ihres Werks gekonnt um, um uns in eine parabelhafte Geschichte zu entführen. Eine Regisseurin, die man im Auge behalten sollte.

Übersetzung aus dem Französischen von Maxime Maynard durch Zoë Bayer.

07.02.2022

3.5

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Kommentare

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thomasmarkus

vor 2 Jahren

Traurig, aber wahr.
Wenn ich bei uns allerorten gelitterte Hygienemasken sehe - Aludosen, die Tiere töten:
Was ist der Mensch?


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