Shakespeare in Love Grossbritannien, USA 1998 – 122min.

Filmkritik

Arbeitstitel: Joseph und Gwyneth, die Tränenkönigin

Filmkritik: Martin Glauser

Zwei der fünf Filme, die am 21. März für den wichtigsten Oscar nominiert waren, haben Joseph Fiennes auf ihrer Lohnliste, England und das 16. Jahrhundert als Kulisse und Queen Elisabeth I unter ihren Figuren. Einer davon war "Shakespeare in Love". John Maddens beschwingte Komödie um den berühmtesten Barden aller Zeiten war DER Liebling der Kritik, ein Erfolg an der Kasse, Gewinner von drei Golden Globes und sieben Oscars. Hier kommt Shakespeare light für kluge Analphabeten und lesefaule Literaten.

Der junge William Shakespeare (Joseph Fiennes) leidet an einer Schreibblockade. Er arbeitet an der Komödie "Romeo and Ethel, the Pirate's Daughter", die später unter einem prägnanteren Titel vollendet und berühmt werden soll. Als Shakespeare in der theaterbesessenen Viola (Gwyneth Paltrow) die dringend benötigte Muse und seine private "Julia" findet, beginnen die Arbeit am Werk und die gleichzeitigen Proben für seine Uraufführung flotter voranzugehen. Allerdings kommt das Stück weniger komödiantisch heraus als geplant, denn auch der wirklichen Liebe zwischen William und Viola harren Hindernisse von elizabethanischem Ausmass: Viola stammt aus gutem Haushalt und soll an einen ekelhaften Edelmann verheiratet werden.

Würden die Nobelpreise von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences verliehen, dann bekäme ein geehrter Physiker gleich auch noch den Chemie-, den Literatur- und den Friedensnobelpreis. Ein Film mit 13 Oscar-Nominierungen ist natürlich nicht zwingend 13 mal besser als derjenige mit bloss einer Nominierung. Aber welchen Film würden denn Sie nennen in der Kategorie wie "Bester Lidschatten"? Vermutlich einen Film, den Sie a) gesehen, b) geschätzt haben, und von dem Sie c) annehmen, dass wohl auch die Lidschatten in Ordnung gewesen sein möchten.

Einige der 13 Nominierungen sind gewiss verdient. Das Drehbuch von Marc Norman und Tom Stoppard ist raffiniert gebaut, die Grundidee der Geschichte ohnehin ein Gewinner. Die Dialoge spielen virtuos mit der sprachlichen Exotik des 16. Jahrhunderts und mit den Versatzstücken aus Shakespeares literarischem Werk, ohne dadurch an Verständlichkeit einzubüssen. Einige dezent-blöde Anachronismen - bedruckte Tassen etc. - sind blöd, aber dezent. Die ganze Atmosphäre ist geschwängert von Ironie, von Gelächter erhellt, parfümiert mit Liebe. Die Besetzungen sind wohlproportioniert. Von Joseph Fiennes darstellerischer Energie könnte sich sein älterer und bekannterer Bruder Ralph Fiennes eine gute Scheibe abschneiden. Joseph gibt Shakespeare als einen artistischen Glücksritter, der Titel, Sätze, Figuren, Geschichten klaut, wo immer er kann. Hinsichtlich Augenabstand, Blickintensität, Körperwuchs und Gesichtsbehaarung erinnert er an den Lümmel, der früher Prince hiess. Gwyneth Paltrow wirkt neben ihm fast ein wenig langsam, aber süss und sympathisch und sehr 20. Jahrhundert. Auch die Nebendarsteller sind alle makellos, von der Schauspielertruppe über die rivalisierenden Theaterbesitzer bis zur resoluten Queen Elisabeth, in deren Rolle Judi Dench ebenfalls einem möglichen Oscar entgegenglänzt.

"Shakespeare in Love" ist eine leichtfüssige Backstage-Komödie, gut entworfen, gekonnt realisiert, einwandfreies Handwerk. Die Bedeutung des Films würde seine zwei Stunden kaum überdauern, wären da nicht die vielen Oscars, die ihn zum Branchenereignis adeln. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee gewesen, die allmähliche Mutation der geplanten Komödie "Romeo and Ethel" zur Tragödie "Romeo und Juliet" von der Handlungsebene auf die Ebene der Filmgestaltung zu übertragen. Denn vor allem gegen Ende des Films droht die souveräne Leichtigkeit in eine Seichtigkeit zu kippen, die beim Meister selber auch in dessen luftigsten Momenten nie zu finden ist. Aber das ist ja wohl auch der Grund, weshalb in 400 Jahren von diesem "Verliebten Shakespeare" kaum mehr die Rede sein wird, während von Shakespeare, dem Barden, vermutlich immer noch.

23.06.2021

4

Dein Film-Rating

Kommentare

Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.

Login & Registrierung

movie world filip

vor 13 Jahren

nicht so stark wie vielen sagten aber gut... nach ralph fiennes in the english patient auch sein bruder stark


Mehr Filmkritiken

Gladiator II

Red One - Alarmstufe Weihnachten

Venom: The Last Dance

Typisch Emil