Being John Malkovich USA 1999 – 112min.

Filmkritik

Für 15 Minuten ein Star sein

Filmkritik: Martin Glauser

Was für ein verrückter Film! Nicht einmal in seinem Genre lässt er sich recht fassen, am ehesten noch als Komödie, doch lacht man eher aus schierer Verblüffung denn wegen Witzen. John Malkovich spielt sich selbst. John Cusack spielt den Mann, der als erster in John Malkovichs Kopf hineingeht. Und das ist wörtlich gemeint.

Von Beruf ist Craig Schwartz (John Cusack) ein ausserordentlich talentierter Marionettenspieler, mit anderen Worten: arbeitslos, verwahrlost, frustriert. Seine Frau (Cameron Diaz) überredet den Stubenhocker, sich einen richtigen Job ausserhalb seines Metiers zu suchen. Einen solchen findet er im siebeneinhalbten Stockwerk eines New Yorker Geschäftshauses, wo alle Angestellten nur gebückt gehen können.

Was aber dem Leben von Craig Schwartz die eigentliche Wendung gibt: Hinter einem Schrank findet er eine kleine Tür, die ihn direkt in den Kopf von John Malkovich führt. Für 15 Minuten sieht und fühlt Craig dasselbe wie John Malkovich. Anschliessend wird er an einer Autobahnauffahrt am Stadtrand sozusagen ausgeschneuzt, jedenfalls fällt er dort aus aus der Luft ins Gras. Das Experiment lässt sich wiederholen. Craigs resolute Arbeitskollegin (Catherine Keener), auf die er so verständlicherweise wie aussichtslos scharf ist, hat die naheliegende Geschäftsidee: Ausserhalb der Bürozeiten vermarkten die beiden den exklusiven Malkovich-Trip: für 200 Dollar die Viertelstunde können Interessierte gewissermassen Andy Warhols bekanntem Diktum in die Praxis umsetzen, wonach in der Zukunft jeder für 15 Minuten ein Star sein. Bei dem regem Verkehr in seinem Kopf kommt Malkovic allmählich dahinter, dass etwas nicht stimmt. Umwerfend lustige Szene, als er im besagten siebeneinhalbten Stock den hintersten der Schlangestehenden mit beherrschter Stimme fragt, was für ein Service hier genau angeboten würde. Man kann sich vorstellen, zu welchen Rückkopplungen es kommt, als er schliesslich selbst in den Geheimeingang kriecht, der direkt ins eigene Unbewusste führt.

Ausgedacht hat sich die unwahrscheinliche Geschichte ein gewisser Charlie Kaufman, Regie führte Spike Jonze. Beide sind Neulinge im Filmgeschäft, Jonze immerhin hat sich schon durch Musikvideos hervorgetan. Alle Qualitäten des Films gebührend aufzuzählen, würde mehr Zeit in Anspruch nehmen als ihn zu sehen. Wir beschränken uns hier auf die offensichtlichsten, den Rest dürfen wir Ihrer Neugierde anvertrauen: Die Darsteller liessen sich von dem ausserordentlichen Skript ganz offonsichtlich in der fruchtbarsten Weise inspirieren und sorgten unter Jonze's behutsamer Regie dafür, dass wir von Kaufmans Überfluss an Ideen nicht weggeschwemmt werden. Allen voran natürlich Malkovich, der den schmeichelhaften Filmtitel mit einer grandiosen Performance als männliche Promi-Diva zu danken weiss. Cameron Diaz ist kaum zu erkennen unter ihrer absurden Perücke und der vermutlich unvorteilhaftesten Kleidung ihrer Karriere. Ganz im Gegensatz zu Catherine Keener, die als Firmen-Vamp zuerst John Cusack kalt abblitzen lässt, um anschliessend sexuellen Gefallen an der bizarr-biederen Cameron zu finden, allerdings nur wenn und nur solange diese Besitz John Malkovichs Körper genommen hat. Keine Freude daran hat natürlich John Cusack, auch er für einmal verschlampt bis zur Unappetitlichkeit, mit länglichen, schütteren Fetthaaren, äusserst geschickten Händen, aber ungelenk in Wort und Fuss und mit entsprechend wunderbar arhythmischer Komik. Als es so aussieht, als würde seine Figur von Ehefrau und Angehimmelter bei der Usurpation von Malkovichs Körper ins Abseits gedrängt, kommt ihm seine besondere Begabung zur Hilfe: Immerhin ist er ein begnadeter Puppenspieler.

Das grösste Verdienst von "Being John Malkovich" ist vielleicht dies: Der Film beglückt uns wieder einmal mit der Unvorhersehbarkeit von Leinwandereignissen, die der häufige Kinogänger bei Hollywoodprodukten oft vermisst. Dass diese Unvorhersehbarkeiten bei aller Absurdität der Handlung nicht zu Willkür und Albernheit geraten, lässt auf echtes Talent bei Jonze und Kaufman schliessen. So vielfältig ihre Inspirationsquellen - Freud, die Träume, Kafka, Barton Fink u.v.a. - gewesen sein mögen, so unterschiedlich dürften die Interpretationen entlang der Themen Geschlechteridentität, Selbstfindung, Lebensangst, Unsterblichkeit ausfallen: in Ihrem Kopf.

07.06.2021

5

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Kommentare

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Gelöschter Nutzer

vor 14 Jahren

Witzige Idee, aber mir wachsen diese Super-Drehbuch-Idee-Filme einfach nicht ans Herz. Filme mit einer echten von A-nach-B-Geschichte sind mir lieber.


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