Filmkritik
Liv Tyler erquickt Robert Altman
Dass die Südstaaten nach anderen Spielregeln funktionieren als der Rest der USA, ist spätestens seit "Gone With The Wind" sonnenklar. Für Altmeister Robert Altman ist dieses andere Amerika jedoch nicht mehr als ein weiterer Mikrokosmos, den er genüsslich zu sezieren weiss. Und wenn es darin noch um einen Mord geht, der keiner war, um eine Intrige und um "die Dummheit des Stolzes" (O-Ton Altman), dann befinden wir auf dem Pfad einer Satire. Endlich wieder einmal!
Denn so sehr Altman seine Mitmenschen lieben mag, so sehr verabscheut er sie gleichzeitig. In seinen Filmen zeigt er sich meist als Pessimist, der mit dem Optimismus kokettiert. Die titelgebende Cookie (Patricia O'Neal) ist eine Südstaatenlady, die mit ihrem schwarzen Gärtner Willis (Charles S. Dutton) ein friedliches Leben führt. Unbekümmert um Fragen der Hautfarbe haben die beiden älteren Menschen eine innige Freundschaft entwickelt. Gemächlich plätschert das Leben des Duos dahin, der Film tut zunächst dasselbe und fast scheint es, als würde er seinem Regisseur wie schon "Kansas City" und "The Gingerbread Man" in die Bedeutungslosigkeit entgleiten. Doch davor bewahrt ihn die Drehbuchautorin Anne Rapp mit einem Knall: Cookie schiesst sich aus Schmerz über den Tod ihres Mannes eine Kugel in den Kopf. Cookies hysterische, bis zum Fanatismus religiöse Nichte Camille (Glenn Close) sieht im Selbstmord ihrer Tante eine schlimme Sünde, die Schande über die ganze Familie zu bringen droht. In einem Anfall, der jeden Choleriker vor Neid erblassen liesse, verschlingt sie Cookies Abschiedsbrief, wirft die Tatwaffe in den Garten und trichtert ihrer leicht zurückgebliebenen Schwester Cora (Julianne Moore) ein, dass ihre Tante ermordet wurde. Mangels einer Alternative nimmt die Polizei den Gärtner fest, obschon sich eigenlich niemand vorstellen kann, dass der seine Freundin und Arbeitgeberin ermordet haben sollte. Deshalb lässt man auch seine Zellentür offen, und der Grossnichte der Verschiedenen (Liv Tyler)gewährt man, sich als "Komplizin" einsperren und vom Hilfssheriff vernaschen zu lassen.
Mangelt es Altmans jüngster Arbeit in den ersten dreissig Minuten an allem, was einen Film üblicherweise ausmacht, sind die restlichen neunzig Minuten ein reines Vergnügen. Obwohl Cookie`s Fortune vorgibt, kein Krimi zu sein, hält der Plot unzählige Enthüllungen und Überraschungen bereit. Dasselbe gilt für die schauspielerischen Leistungen. Ist man von Julianne Moore und Glenn Close (diesmal allerdings hart an der Grenze zum "Overacting") ein entsprechendes Niveau gewöhnt, entpuppen sich Liv Tyler und Chris O`Donnell als "echte" Schauspieler. Im Falle O'Donnells ist allerdings auch eine grosse Portion "Typecasting" im Spiel, ist doch sein Gesicht wie modelliert für die Rolle des naiven Dummkopfs. Dafür bringt Tyler mit ihrer lasziven und erstmals betont weiblichen Darstellung eine frische Brise in das etwas trockene Südstaatenklima. Davon profitiert nicht zuletzt auch Meister Robert Altman selbst, der nach einer längeren Dürrezeit etwas Aufwind erhält.
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