Filmkritik
Vorkämpfer der Schwulenbewegung
Der deutsche Regisseur Rosa von Praunheim ist als Dokumentarfilmer bekannt. In seinem neuesten Film "Der Einstein des Sex - Leben und Werk des Dr. Magnus Hirschfeld" überschneiden sich Biographie und Fiktion. Entstanden ist ein berührendes, aber wenig kritisches Portrait über das Leben jenes Mannes, der den Grundstein für die Schwulenbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelegt hat.
Berlin, 6. Mai 1933: Das Institut für Sexualwissenschaft wird Opfer der blinden nationalsozialistischen Gewalt. Eine Horde Studenten der "Hochschule für Leibesübungen" stürmt das Gebäude, plündert Bibliotheken und Archive. Wissenschaftliche Publikationen, medizinische Protokolle, Büchersammlungen und Fallbeispiele: Das Lebenswerk von Dr. Magnus Hirschfeld ist für immer zerstört.
In Deutschland stellte Ende des 19. Jahrhunders der Paragraph 175 die gleichgeschlechtliche Liebe unter Strafe. In diese Zeit hinein wurde Magnus Hirschfeld geboren. Der Medizinstudent erfuhr, dass Homosexualität eine unheilbare Krankheit sei. Noch während seiner Studienzeit stellte er die gesellschaftliche Verurteilung der Liebe zwischen Männern in Frage. Als behandelnder Arzt erkannte er, dass seine schwulen Patienten vor allem unter den Vorurteilen leiden, und nicht unter ihrer sexuellen Neigung. 1897 gründete er das Wissenschaftlich-Humanitäre Komitee (WHK), das sich die Abschaffung des Paragraphen 175 zum Ziel setzte. Doch die Zeit war noch nicht reif, eine vom Komitee eingereichte Petition scheiterte.
Hirschfeld gab nicht auf. Während des ersten Weltkrieges arbeitete er als Lazarettarzt. 1919 gründete er das Institut für Sexualwissenschaft, und 1929 erreichte das WHK sein Ziel: Die Reform des Sexualstrafrechtes. Die Überzeugung und Kraft jedoch, mit der Hirschfeld gegen den "Schwulenparagraphen" kämpfte, fehlten ihm beim Umgang mit der eigenen Sexualität. Rosa von Praunheims Film zeigt den Zwiespalt eines Mannes, der sich für die Sache der Schwulen einsetzte und dabei seine eigenen Gefühle aus Angst vor Repressalien unterdrückte. Körperliche Nähe liess Hirschfeld erst in seinem zweiten Lebenshälfte zu.
Der Einstein des Sex basiert auf den wenigen überlieferten Fakten über das Leben von Magnus Hirschfeld, biografischen Lücken wurden ausgeschmückt. Dem Film haben diese Ergänzungen nicht geschadet, denn trotz dem tragischen Hintergrund ist Praunheims Werk kein Kind von Traurigkeit. Szenen voller Selbstironie und Witz wechseln sich ab mit starken Gefühlsmomenten.
Was dem Film zu Gute kommt, schadet mitunter der historiografischen Objektivität. Auch wenn Einstein des Sex primär ein Bio-Pic ist, hätte man sich doch von Praunheim eine neutralere Darstellung des zeitgenössischen Umfelds und eine differenziertere Haltung gegenüber den wissenschaftlichen Ansichten des Doktors erwartet. So befürwortete er etwa "die Ausjätung schlechter Menschenkeime" mittels Zwangskastrationen und Zwangssterilisationen. Sein unzimperlicher Umgang mit wissenschaflichen Gegnern wird ebenso wenig kritisch beleuchtet wie etwa jener Aspekt seiner Theorie, demzufolge für die schwule Liebe einfach "weibliche" Anteile im Mann verantwortlich sind.
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