Filmkritik
Dreimaliger Kinobesuch erwünscht
"Eloge de l'amour" ist kein gewöhnlicher Liebesfilm, sondern ein philosophischer Kunstfilm über die Liebe, die Erinnerung, das Älterwerden und das Leben eines Künstlers. Jean-Luc Godard erzählt von einem Mann, Edgar, der nicht weiss, ob er sein Projekt als Film, Buch oder als Oper anlegen soll.
Der Künstler recherchiert für sein Vorhaben, nämlich eine "Ode an die Liebe", und blättert dabei immerzu in einem Buch mit leeren Seiten. Es sind Spielszenen aus dem bevorstehenden Projekt zu sehen. Es bleibt jedoch unklar, ob diese immer noch Teil eines Castings sind oder bereits Proben und Dreharbeiten darstellen.
Der Film besteht grundsätzlich aus zwei Teilen. Der erste Teil ist in Schwarzweiss gedreht und hauptsächlich dem bevorstehenden künstlerischen Projekt gewidmet. Die vier Phasen der Liebe, nämlich die erste Begegnung, die körperliche leidenschaftliche Liebe, die Trennung und die Wiederbegegnung, stellen den Mittelpunkt dieses Projektes dar. Anhand von drei Lebensaltern, der Kindheit, des Erwachsenseins und des Alters, philosophiert Godard über die genannten vier Stadien der Liebe.
Der zweite Teil spielt Jahre früher und ist auf Video gedreht, in Farbe, was einerseits explizit amateurhaft wirkt, da die Qualität der Bilder schlecht ist, andererseits aber auch kunstvoll und ansprechend. In diesem Teil wird die Geschichte der Résistance individuellen Lebensgeschichten entgegengesetzt. Und es geht auch ums Kino und um die Erinnerung der Bilder. Ein älteres Ehepaar, einst Gründer eines Résistance-Netzwerkes, will die Rechte an seiner Geschichte an Hollywood verkaufen, genauer an Steven Spielbergs Anwalt. Godard übt heftige und stellenweise humorvolle Kritik am amerikanischen Kino.
Immer wenn die Handlung in die Vergangenheit zurückblickt, wechselt auch die Farbe, die Haupthandlung ist in Schwarzweiss gedreht. Godard liebt den Gegensatz und wurde immer wieder als "Enfant Terrible" und gleichzeitig als hervorragender Künstler der Filmgeschichte betrachtet. Von ihm stammt auch der bekannte und vielzitierte Satz "Ein Film braucht einen Anfang, eine Mitte und einen Schluss, aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge". Auch die Wege, die durch "Eloge de l'amour" führen, sind alles andere als linear. Mosaikartig sind Bilder, literarische Zitate, Dialoge und Musik zusammengestellt. Der Sinn ergibt sich nur allmählich. Der Film ist sicherlich nicht leicht zugänglich und erfordert mehrmalige Betrachtung.
"Eloge de l'amour" ging sowohl am Filmfestival in Cannes 2001, im Jahr des 50. Jubiläums der "Cahiers du Cinéma" (Godard war wichtiger Mitbegründer des Magazins und Vertreter der Nouvelle Vague-Bewegung) leer aus, als auch an den 37. Solothurner Filmtagen, bei der Verleihung des Schweizer Filmpreises. Godard-Kino ist sicherlich nicht Mainstream-Kino, sondern philosophisches, kunstvolles Autorenkino. Er verzichtet in diesem Film sogar auf Stars, wichtige Schauspieler und witzige oder actionreiche Spannungselemente, welche die Handlung vorantreiben. Trotzdem ist die Handschrift des Regisseurs auch in seinem neusten Film unverkennbar. Deshalb ist "Eloge de l'amour" auch nur Godard-Liebhabern und Cinéasten zu empfehlen.
Godard selber hat bei einer Vorlesung empfohlen, sich seinem nicht leicht zugänglichen Film durch dreimaliges Anschauen anzunähern. Beim ersten Mal sollte man sich laut Godard auf den Ton konzentrieren, beim zweiten Mal lediglich auf das Bild. Beim dritten Mal erst darf man sich auf beide zusammen konzentrieren.
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