Filmkritik
Neues vom japanischen Megastar
In Japan ist Takeshi Kitano schon seit langem ein Superstar. Im Westen kennt man ihn vor allem dank "Hana-Bi" und "Sonatine", jene Gangster-Filme, die uns durch ihre bizarre Mischung aus interessanter Brutalität und seltsamem Humor tief beeindruckten. Mit „Kikujiro's Sommer" geht Kitano jetzt einen ganz anderen Weg: Eine beinahe zärtliche Komödie um einen ungehobelten Kerl und einen kleinen Jungen, der seine Mutter sucht.
Takeshi Kitano spielt wie üblich die Titelfigur selbst (sein schauspielerndes Alter ego heisst allerdings Beat Takeshi): Kikujiro ist ein ein unsympatisches Grossmaul, ein elender Faulenzer, ein billiger Dieb und ein sozialer Aussenseiter, der sich mit jedem anlegt, der ihm über den Weg läuft. Pech für den 8-jährigen Jungen Masao (Yuyuke Seikiguchi). Er will seine Mutter suchen gehen, die er noch nie gesehen hat, und als Begleiter wird ihm ausgerechnet dieses Monster an die Seite gestellt. Kukujiro verspielt als erstes das Reisegeld des Jungen beim Wetten. Also kommt als Fortbewegungsmittel nur noch Autostopp in Frage. Der Film besteht fast ausschliesslich aus der Reise der beiden durch Japans Landstrassen.
Schön, einfach schön und wunderschön haben Filmkritiker Kitanos neuen Film genannt. Natürlich wird das Verhältnis zwischen Kikujiro und dem Jungen im Lauf der zwei Stunden näher, kumpelhafter, schon fast zärtlich. Insofern hält sich Kitano ganz an die Regeln des Genres, denn ein Filmgenre mit langer Tradition ist es, wenn harte Kerle sich um kleine Jungs kümmern müssen. Die kaum merkliche Aufweichung des Harten und die Bilder, in denen die beiden Hauptfiguren über Land und Strand gehen, sind gewiss schön.
Aber ich kann nicht leugnen, dass mich "Kikujiro" sehr enttäuscht hat. Nicht wegen der im Vergleich zu den früheren Filmen fehlenden - oder doch zumindest vergleichsweise harmlosen - Gewalt, sondern weil das, was in den Filmen um japanische Mafiosi Tugenden waren, in diesem Roadmovie seine Wirkung verfehlt: Das manchmal überlange Verweilen der Kamera auf einem fast unbeweglichen Menschen, der schwer fassbare Charakter von Kitanos zerfurchtem, infolge eines wirklichen Unfalls halb gelähmtem Gesicht, der unvermutete Einbruch des Bizarren oder des Unbeherrschten in die zurückhaltenden japanischen Umgangsformen, der äusserst widerspenstige Humor, - all das kommt in der einen oder andern Form auch in „Kikujiro" vor, wirkt dort aber ganz anders und irgendwie - zugegeben ein Paradox - unpassender. Wenn Kikujiro und Masao auf einer Landstrasse gehen, den Rücken der Kamera zugewandt, so endet die Einstellung nicht, bevor die beiden wirklich am Horizont verschwunden sind. Da wird einem oft das Warten lang, auch wenn der Horizont schön ist und die Musik so süss klingt, als hätte sie Hardy Hepp geschrieben. Ich will indes den Film niemandem ausreden, zumal ich ein Bewunderer des Regisseurs bin und bleiben will. Takeshi Kitano ist, wie gesagt, in Japan seit langem gross, eine schillernde Figur aus TV und Theater, der seit 1989 (Violent Cop) mit zehn eigenwilligen Filmen auch auf der grossen Leinwand äusserst produktiv ist.
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