Filmkritik
Rien à faire
Was macht man, wenn man den ganzen Tag eigentlich nichts zu tun hat? Marion Vernoux meint: Einkaufen. Mit "Rien à faire" liefert sie uns eine Mischung aus Sozialstudie und Lovestory. Ein unsentimentaler Film über die Begegnung zweier zur Untätigkeit verdammter Menschen.
Ein Mann geht im Supermarkt einkaufen. Er kauft Spaghetti, Äpfel und Gurken mit dem Einkaufszettel seiner Frau in der Hand. Eine Frau zerrt Fleischkäse im Billigangebot aus dem Regal. Gewandt kurvt sie mit dem Einkaufswagen um die Ecken und plaudert mit der Kassiererin: Jeden Tag ist sie im Supermarkt. Beide wurden "abgeschossen", sind arbeitslos. Sie länger als er. Sie kommen in Kontakt. Beide haben in der gleichen Firma gearbeitet. Die Frau als einfache Magazinerin in der Fabrik, der Mann im Management. Sie treffen sich jeden Tag - im Supermarkt. Sie, Marie-Do, eine "Emma Bovary der Mietskaserne" wäscht, liest Horoskope, färbt ihre Haare und verliert sich in Tagträumen. Abends kommen ihr Mann und ihre Kinder nach Hause. Unbeholfen und schüchtern nähert sie sich tagsüber im Supermarkt Pierre. Für ihn ist die Untätigkeit schwer zu ertragen, er fühlt sich unnnütz und aufs Einkaufen reduziert. Deshalb beginnen sie zusammen Kaffee zu trinken, zu lachen und berichten einander von ihrer zermürbenden Jobsuche. Die anfangs "kollegialen" Treffen werden nicht ganz unerwartet zum Highlight des Tages. Die Romanze könnte jetzt beginnen. Nur - ihre gemeinsamen Tage sind gezählt, denn eines Tages werden sie vielleicht wieder arbeiten...
Marion Vernoux, die man durch die Filme Vénus Beauté, Personne ne m'aime und "Love, etc." kennt, wollte von der Arbeitslosigkeit sprechen; einmal anders. Dafür wurde sie 1999 mit der Goldmedaille am Filmvestival von Venedig ausgezeichnet. Zusammen mit dem erfahrenen Drehbuchautor Santiago Amigorena schrieb und schnitt sie die Rolle der Mari-Do genau auf Valeria Bruni Tedeschi zu. Erscheint sie uns darum so authentisch und überzeugend? Die Schwester des Top-Models Carla Bruni wirkte in zahlreichen französischen Filmen mit, vorwiegend sehnsüchtig, neurotisch und fragil agierend (kürzlich als Mutter in La vie ne me fait pas peur). Patrick Dell'Isola, ein Neuling im Filmgeschäft, überzeugt durch die Darstellung eines zielstrebigen und doch komplizierten und zerbrechlichen Charakters. Sergi Lopez, der den nichtsahnenden Mann der Mari-Do mimt, ist zur Zeit in Une liaison pornographique zu sehen.
Ein Bisschen befremdet, aber durchaus verständig schauen wir in die Welt der fragilen und sehnsüchtigen Mari-Do. Ihr Mangel an Perspektiven, ihre Isolation wird genauestens analysiert und fast dokumentarisch gezeigt. Vielleicht übermitteln uns gerade die im ersten Teil vorkommenden Aktionslücken und Wiederholungen die Langeweile und Unausgefülltheit ihres Alltags. Wird das Feuer ihrer Zuneigung aber einmal entfacht, bleiben wir von der Leidenschaft und den emotionalen Spannungen enttäuschend unberührt. In der Fortsetzung ihrer Bekanntschaft wird ihre Konversation sogar immer stiller. Wortkarg und mit bedeutungsvollen Blicken sitzen die beiden im Auto und fahren durch die Landschaft. Auch wenn es so wunderschön heisst "Liebende verstehen sich auch ohne Worte", wird es unsereins doch ein wenig langweilig. Dennoch - ein sensibler Film, der sich der ernüchternden und nutzlos erscheinenden Realität zweier Menschen annimmt. In der Gesellschaft als eigentliche Verlierer gebrandmarkt, finden sie hier Erfüllung im ebenfalls "untätigen" Gegenüber.
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