Dinosaurier USA 2000 – 82min.

Filmkritik

Menschliche Seelen im Sauriergewand

Bruno Amstutz
Filmkritik: Bruno Amstutz

Disney wagt sich in den Bereich der komplett computergenerierten Animation vor: «Dinosaur» stellt sich dem Anspruch, die realistischsten Urtiere der Filmgeschichte zu kreieren. Die lebensecht animierten Dinosaurier werden in eine gewohnt kindergerechte Handlung eingebettet und treiben die Vermenschlichung von Tieren auf einen neuen Höhepunkt.

Die BBC-Serie «Dinosaurier - im Reich der Giganten» setzte nach «Jurassic Parc» neue Massstäbe in der Saurieranimation: Computergenerierte Tiere und echte Landschaftsaufnahmen verschmolzen zu einem prähistorischen Pseudodokumentarfilm. In Sachen technische Brillanz kann Disney mit der Serie gleichziehen, doch dokumentarischer Realismus ist in «Dinosaur» nicht gefragt. Menschliche Charaktere werden in die Dinosaurierkörper eingepflanzt und menschliche Mimik auf die urzeitlichen Tiergesichter projiziert.

Das Dinosaurierbaby Aladar von der pflanzenfressenden Spezies Iguanodon erlebt noch vor der Geburt eine Odyssee: Im Ei wird es von einem Nesträuber entführt und fällt nach Wildwasserfahrten und Lufttransporten aus den Klauen eines Flugsauriers auf eine einsame Insel. Dort entdeckt eine Familie von Lemuren, kleinen pelzigen Halbaffen, den Minisaurier. Ihr Anführer Yar will das fremde Wesen töten, doch seine Tochter Plio zeigt ein Herz und adoptiert das Baby.

Jahre später führt Aladar als ausgewachsener, tonnenschwerer Iguanodon ein unbeschwertes Leben auf der Lemureninsel. Bis zu dem Abend, an dem tausende von Sternschnuppen vom Himmel fallen und schliesslich ein riesiger Meteorit ins Meer einschlägt. Die Insel wird in einem Feuersturm verwüstet, nur Aladar und seine Pflegefamilie können sich auf das Festland retten. Doch auch dort zeigt sich ein Bild der Vernichtung: Verbrannte Landschaften reichen bis zum Horizont.

Auf der Suche nach einer neuen Heimat begegnet Aladar einem Dinosauriertrek. Angeführt vom ruppigen Iguanodon Kron und seinem ebenso bärbeissigen Adjutanten Bruton wandert eine Herde Überlebender in Richtung neuer Weidegründe. Kron führt ein strenges Regime mit simplen Regeln: Wer in seinem Tross mitziehen will, muss das vorgelegte Tempo halten können. Die Schwachen und Langsamen sind auf sich allein gestellt. Sie verdienen es nach Krons Meinung nicht, zu überleben. Als Aladar gegen dieses unmenschliche Saurierdenken rebelliert, gerät er in Konflikt mit dem Anführer.

«Dinosaur» wandelt auf einem schmalen Grat zwischen Realismus und Vermenschlichung. Während die Protagonisten denken, sprechen und handeln wie Menschen und dies durch ihre Mimik ausdrücken, werden andere Dinosaurier tatsächlich auch als Tiere dargestellt. Sämtliche Fleischfresser, die in keinem Saurierfilm fehlen dürfen, erscheinen lediglich als blutrünstige, stumme Monster ohne humane Regungen. Das Bedürfnis des jungen Zielpublikums nach einer Einteilung in «liebe» und «böse» Dinosaurier wird befriedigt und mit der Botschaft vom Wert eines Menschen- beziehungsweise Dinosaurierlebens angereichert. Vorausgesetzt, es handelt sich nicht um einen Raubsaurier.

01.06.2021

4

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