The Gift USA 2000 – 112min.
Filmkritik
Übersinnlicher Süden
Nach dem genialischen Kabinettstück "A Simple Plan" war es für Regisseur Sam Raimi und Drehbuchschreiber Billy Bob Thornton ein Leichtes die "Crême de la crême" der Jungschauspieler Hollywoods für ihr neues Projekt zu gewinnen. Cate Blanchett, Hillary Swank, Keanu Reeves, Greg Kinnear, Katie Holmes, Giovanni Ribisi – das sind die Namen, die "The Gift", trotz offensichtlicher Schwächen des Drehbuchs, durchaus sehenswert machen.
Annie Wilson (Blanchett), verwitwete Mutter zweier Kinder, verdient sich ihren bescheidenen Lebensunterhalt durch ihre hellseherische Gabe. Für viele Bewohner des kleinen Südstaatenkaffs Brixton ist sie Seelsorgerin, Sozialhelferin und beste Freundin in einem, für andere ist sie eine Hexe, die mit ihrem Hokuspokus bloss Unruhe stiftet. Vor allem wegen ihrer Freundschaft zur haltlosen junge Valerie (Swank), müssen sie und ihre Kinder immer wieder mit gewalttätigen Übergriffen von deren Mann Donnie (Reeves) rechnen.
Eines Tages wird Annie von der Polizei gebeten, bei der Suche nach der vermissten Jessica (Holmes) zu helfen. Eine alptraumhafte Vision führt sie an einen kleinen See auf Donnies Grundstück - wo die junge Frau auch tatsächlich tot im Wasser aufgefunden wird. Der Fall scheint klar: Donnie, der ein Verhältnis mit Jessica hatte, sie an dem Abend ihres Verschwindens traf und für seinen Jähzorn bekannt ist, wird wegen Totschlags verurteilt. Doch Annie wird bald von neuen Visionen heimgesucht und äussert gegenüber dem Staatsanwalt ihre Zweifel an Donnies Schuld. Gleichzeitig bahnt sich zwischen ihr und dem Schulrektor (Kinnear), der mit der Toten verlobt war, eine Beziehung an. Annie wird mehr und mehr verdächtigt, ihre Hände selber im undurchsichtigen Spiel zu haben.
Hollywood liebt es die Südstaaten der USA auch in zeitgenössischen Geschichten mit Attributen zu belegen, die einer "Gothic Novel" aus dem 18. Jahrhundert alle Ehre täte. Ob "Angel Heart" oder "In The Garden Of Good And Evil" - nebelverhangene Sümpfe, Voodoo, bigotte Gemeinden und überzeichnete, an Karikutaren grenzende Figuren gehören zum Standardrepertoire. Auch "The Gift" passt bestens in dieses Schema. Auch hier werden Nebel, Blitz und Donner bemüht, um Annies Visionen zu visualisieren und das verschlafene Kaff und seine skurrilen Bewohner scheinen nicht aus dieser Zeit, obwohl die Geschichte im Heute spielt. Doch wenigstens wird Annie die Hauptfigur trotz ihrer "Gabe" nicht zur Teufelsinkarnation oder zur dunklen Exzentrikerin wie Robert De Niro oder Kevin Spacey in besagten Filmen. Wir können uns der Identifikation mit dieser Figur und des Glaubens an ihre Fähigkeiten nicht erwehren. Selbst als Donnies Verteidiger vor Gericht genussvoll Annies Aussagen als Hirngespinste einer verwirrten und einsamen Witwe zerfleddert, stehen wir als vernünftige und aufgeklärte ZuschauerInnen zu ihren Visionen. Das liegt grösstenteils an der zurückhaltenden und doch eindringlichen Spielweise von Blanchett, die bis jetzt in zwar eindrücklichen, aber doch eher manierierten Rollen (als "Elizabeth" oder Meredith in "The Talented Mr Ripley") zu sehen war. Die Australiern legt eine Intensität an den Tag, die einen an die Leinwand fesselt. Und auch die anderen Mitglieder dieses Schauspielerensembles – allen voran ein überraschend "unhölzerner" Keanu Reeves als jähzorniger Redneck – überzeugen. Schade nur, dass die Geschichte dieses Potential nie wirklich nutzt und sich immer wieder langatmig in den verschiedenen Erzählsträngen verliert und nach dem wohlbekannten Whodunnit-Muster aufgebaut ist. Zum Ende sei an dieser Stelle nur soviel verraten: leider gehen Raimi und Thornton auch hier nach dem altbekannten Prinzip vor "Finde den am wenigsten Verdächtigen und biege die Geschichte so zurecht, dass er schlussendlich als der Böse überführt wird"!
Dein Film-Rating
Kommentare
Empfehlenswert für alle Leute die sich schon immer mit guten Geschichten gruseln wollen, verteile ich hiermit guten Gewissens
90, 00 von 100
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung