Filmkritik
Von der Liebe im Sozialbau
Der britischen Regisseurs Paul Pawlikowski erzählt eine berührende Liebesgeschichte ohne politischen Biss zwischen einem Spielhallenbesitzer und einer jungen russischen Asylsuchenden, die mit ihrem Sohn, in der Hoffnung auf ein besseres Leben, nach England reist.
Die junge Russin Tanja (Dina Korzun) kommt mit ihrem 10-jährigen Sohn Artiom (Artiom Strelnikov) in ein kühles und abweisendes England. Weil ihr 'Verlobter' nicht am Flughafen auftaucht, stellt sie ein Asylgesuch und wird prompt ins heruntergekommene Seebad Stonehaven abgeschoben. Dort erwarten Mutter und Sohn eine trostlose Wohnung in einem hässlichen Sozialbau mit unzähligen Mitasylanten. Zum britisches Asylwesen gehören aber auch Einkaufsgutscheine und ein allgegenwärtiges Überwachungssystem, das dafür sorgt, dass sich niemand auf eigenen Socken aus dem Staub machen kann. Im Gegensatz zu den meisten Asylbewerbern müssen Tanja und Artiom keine Angst haben, in ihr Heimatland zurückkehren zu müssen, und sind in der glücklichen Lage, die englisch Sprache zu beherrschen. Doch das Leben in der Sicherheitszone ist keineswegs einfach. Zu ihrem Glück befreunden sich die beiden mit dem Spielhallenbesitzer Alfie (Paddy Considine), der nach einem Gefängnisaufenthalt in der Stadt gelandet ist. Zwischen ihm und Tanja entwickelt sich eine zarte Liebesgeschichte.
Der Film erzählt die klassische Geschichte von der Liebe zwischen zwei Aussenseitern, die unter widrigen sozialen Umständen zueinander finden. Und die schöne und hoffnungsvolle Erzählung dieser Geschichte ist dem Film wichtiger als realistische und politische Aspekte, die bei einem Film von dieser Thematik unweigerlich mitschwingen. Politischer Biss geht dem Film vollständig ab. Weder die Flüchtlingsthematik noch der Rassismus, mit dem Asylbewerber konfrontiert sind, werden im Film thematisiert. Gleichzeitig kann man es Regisseur Paul Pawlikowski und den überzeugenden Schauspielern zu Gute halten, dass es ihnen gelingt, eine Geschichte zu erzählen, die sich eines erschütternden Themas annimmt, ohne einen unerträglich bedrückenden Film zu machen. Das Bedürfnis sich zu einem politischen Thema zu äussern, wird klar in Schach gehalten vom Bedürfnis, den Zuschauern einen unterhaltsamen Abend im Kino zu bieten.
In der überhitzten britischen Asyldebate des Wahlkampfs, in der "The Last Resort" seine Première erlebte, schien es eine Leistung, der schlagzeilenträchtigen Schattenwelt ein menschliches Gesicht zu geben. Aber der Film verpasst die Gelegenheit, bewusster und expliziter auf viel tragischere menschliche Schicksale hinzuweisen, die sich hinter den politischen Debatten verstecken. Dafür erzählt er auf überzeugende Art und Weise eine schöne und berührende Liebesgeschichte.
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