Filmkritik
Wenn der Macho leidet
Wer Flamenco in seiner reinsten Form liebt, sollte sich "Vengo" unbedingt anschauen gehen. Tony Gatlif, der Regisseur von "Gadjo Dilo", wollte schon seit Beginn seiner Regiekarriere in den siebziger Jahren einen Film über die mediterrane Musik und die Menschen, die sie leben, machen. Doch war er mit seinen Versuchen, etwa in "Corre Gitano" oder "Latcho Drom", nie zufrieden. Jetzt hat er sechs Monate in Andalusien unter den Einheimischen gelebt, um in seinem neuesten Film ein authentisches Bild der Flamencokultur wiedergeben zu können.
Die Geschichte ist simpel: Der Andalusier Caco ertränkt die Trauer um seine Tochter in viel Wein, Frauen und Musik. Er organisiert wilde Feiern für seinen körperbehinderten Neffen Diego, den er über alles liebt und der nur für den Flamenco lebt. Diegos Vater hat ein Mitglied der Sippe der Caravacas getötet, muss deshalb um sein Leben fürchten und hat sich nach Marokko abgesetzt. Dadurch bringt er Diego, seinen nächsten Blutsverwandten, in höchste Gefahr. Denn in Andalusien gilt immer noch die Blutrache...
Gatlif ordnet die Geschichte gänzlich der Musik unter. Auch alle Mitwirkenden sind im wirklichen Leben keine Schauspieler, sondern Sänger, Tänzer oder Musiker. Der Hauptdarsteller Antonio Canales ist ein bekannter Flamencotänzer und Choreograph. Die Authentizität ist damit gegeben und reisst einen teilweise fast vom Kinositz. Die Kamera bewegt sich mit einer unglaublichen Leichtigkeit zwischen den stampfenden, schreienden, klatschenden Menschen, bleibt nie nur Beobachterin, sondern scheint mit der Musik zu verschmelzen. Diese Nähe und Intensität gibt "Vengo" etwas sehr Dokumentarisches. Es stellt sich die Frage, ob der Film nicht besser von Beginn weg als Dokumentarfilm konzipiert worden wäre: Während wir an wilden, andalusischen Dorffeiern teilnehmen, geht die gar dürftige Handlung nämlich schnell vergessen. Gleichzeitig ist die Geschichte, wenigstens für den durchschnittlichen, rationalen Westeuropäer, gar pathetisch und dick aufgetragen. Die leidenden Blicke der Darsteller, die uns permanent ihre tiefen Gefühle mitteilen möchten, können einem mit der Zeit auf den Wecker gehen. Und auch das Konzept der Blutrache ist uns doch eher fremd. Wenn man sich also auf einen guten Flamencofilm freut, sollte man einfach versuchen das machohafte Gehabe der Hauptdarsteller zu ignorieren und sich von so tollen Musikern wie "Tomatito", "La Caita", "Gritos de Guerra" u.v.a. mitreissen lassen.
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