Avalon Japan, Polen 2001 – 107min.

Filmkritik

Matrix auf japanisch

Bruno Amstutz
Filmkritik: Bruno Amstutz

Mit "Ghost In The Shell" hat der Japaner Mamoru Oshii 1995 einen Meilenstein des japanischen Zeichentrickfilms geschaffen. Für "Avalon" verlässt er nun die animierte Welt und erschafft eine Endzeitvision, in der die Grenzen zwischen virtueller und realer Existenz verschwimmen.

Luc Besson nennt "Ghost In The Shell" im gleichen Atemzug mit den Werken Akira Kurosawas, wenn er nach seinen japanischen Lieblingsfilmen gefragt wird. Auch die Gebrüder Wachowsky geben offen zu, dass sie bei der Konzeption von "The Matrix" mehr als nur einen scheuen Seitenblick auf Oshii's Meisterwerk geworfen haben. Die düster-melancholische Geschichte um Cyborgpolizisten, die ein Komplott aufdecken, räumte beim westlichen Publikum endgültig mit dem Vorurteil auf, japanische Animés seien allesamt Kinderkram. Ridley Scott's "Blade Runner" dient als bessere Referenz zu "Ghost In The Shell" als jeder Disneyfilm.

Nach dem weltweiten Erfolg von "The Matrix" liefert Oshii jetzt mit "Avalon" seine eigene Vorstellung einer allumfassenden virtuellen Welt und tauscht Zeichenbrett und Computeranimationen gegen Realfilm. Dabei kreiert der Japaner keine gestylte High-Tech Umgebung wie die Wachowsky-Brüder, sondern die düstere Version eines heruntergekommenen Osteuropas der nahen Zukunft. Dort haben sich illegale virtuelle Spiele etabliert, die funktionieren wie heutige Egoshooter vom Typ "Quake 3" oder "Unreal Tournament". Der einzige Unterschied: Die Teilnehmer tauchen vollständig in die künstliche Realität ein und zahlen auch einen Preis für die perfekte Simulation - wer im Spiel getötet wird, muss mit bleibenden Gehirnschäden rechnen. Die junge Kämpferin Ash (Malgorzata Foremniak) kennt die Levels ihrer Spielwelt Avalon in- und auswendig. Doch es kursieren Gerüchte, dass eine versteckte Tür existiert, welche die erfahrensten Spieler in einen ultimativen Abschnitt führt.

Oshii ist ein Ästhet, der auch einen Realfilm nicht nach herkömmlichen Prinzipien dreht. In der Postproduktion entzog er den Bildern praktisch alle Farben und liess lediglich Brauntöne zurück, die eine unwirkliche, melancholischen Atmosphäre erzeugen. Mit gezieltem Einsatz von Spezialeffekten schafft er einen Kontrast zwischen der technisch hochgerüsteten virtuellen Welt und der maroden Realität. Wenn die Welt ausserhalb der Spiele überhaupt die Realität darstellt - immer mehr Anhaltspunkte dafür verschwinden im Lauf der Geschichte, und der Streifen verfängt sich in Schlaufen und logischen Brüchen. Anders als "The Matrix" liefert "Avalon" keine pfannenfertigen Antworten, sondern lässt Fragen offen und siedelt sich dadurch näher bei David Cronenberg's "Existenz" an.

Ein einfacher Film ist "Avalon" nicht. Vor allem der Erzählrhythmus ist gewöhnungsbedürftig und wirkt trotz der Actionszenen stellenweise schleppend und fast ermüdend. Auch dass nur polnisch gesprochen wird, mag irritieren. Dafür bietet Mamoru Oshii ein visuelles Meisterstück, das sich schwer kategorisieren lässt.

18.05.2021

4

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Kommentare

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hagottscha

vor 22 Jahren

Monumentale Bilder u. Farben. Beeindruckend, unvergeßlich.


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