Filmkritik
Demokratische Odyssee
Was nützt die beste Demokratie, wenn niemand weiss, wofür man einem Wahlzettel braucht? Auf einer abgelegenen Insel macht sich eine junge Wahlhelferin voller Idealismus und demokratischen Überzeugungen auf den Weg, die Steppenbewohner zur Stimmabgabe zu bewegen. Ihre Begeisterung gerät ins Trudeln, als sie bei den Bürgern auf blankes Unverständnis stösst. Die iranische Komödie zeigt die skurrilen Folgen auf, wenn demokratische Reformen auf damit völlig überforderte Bürger treffen.
Mit der Ruhe scheint es für den Wachsoldaten eines abgelegenen Militärpostens vorbei zu sein, als ein Fallschirm mit einer seltsamen Kiste vor seinen Füssen landet. Im Innern befindet sich eine leere Wahlurne. Als auch noch eine übereifrige Wahlhelferin erscheint und den Soldaten per Regierungsanordnung dazu auffordert, ihr beim Stimmensammeln zu helfen, ist für ihn der beschauliche Tag endgültig gelaufen.
Die Reise zu den entlegenen Sippen und Eigenbrötlern erweist sich als skurrile Odyssee. Einige auf einem Lastwagen eingepferchte Frauen und ein einsamer Wüstenjogger zeigen sich noch begeistert, von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen zu dürfen, obwohl keiner die Kandidaten kennt. Je weiter man sich aber in entlegenere Gebiete wagt, desto öfter stösst man auf Unverständnis. Die Sippen in ihren kleinen Oasen funktionieren nach bewährten Regeln und kommen auch ohne Wahlzettel für weit entfernte Kandidaten aus.
Der iranische Regisseur Babak Payami wurde im Jahr 2000 in Europa durch seinem Debütfilm One more day bekannt, der an Festivals in Berlin und Turin gezeigt und an letzterer Veranstaltung auch mit dem Spezial Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Zwei Jahre später verschlug es Payami für Secret Ballot auf eine öde Insel vor der iranischen Küste, doch der Regisseur macht bei jeder Gelegenheit deutlich, dass er in seinem neuen Film nicht den Iran und seine Probleme im Zentrum sieht. Die nichtssagende, öde Landschaft und die ins Absurde gesteigerten Situationen sollen die allgemeingültige Ebene betonen, auf der über die problematische Diskrepanz zwischen politischen und sozialen Reformen nachgedacht wird.
Dies gelingt Payami zeitweise auch sehr eindrücklich. Die Laienschauspieler überzeugen ebenso wie die Erzählweise, deren für das iranische Kino typische Ruhe die Stimmung des Wüstenlebens passend einfängt. Das Hauptproblem bei Secret Ballot ist jedoch, dass der einfache Plot für normale Spielfilmlänge einfach zu dürftig ist. Hätte sich Payami auf eine halbe Stunde beschränkt, wäre sein Film wohl deutlich pointierter und abgerundeter geraten. So aber wiederholen sich die Erlebnisse auf der Reise durch die Steppe, bei der die Wahlhelferin buchstäblich jeden Stein nach Wählerstimmen umdreht, immer häufiger. Und da Witz und Absurdität nie so gross und spektakulär werden, dass man sie immer wieder erleben will, wirkt der Film nach und nach, trotz aller schönen Stimmungseindrücke, etwas zähflüssig.
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