CH.FILM

Meier 19 Schweiz 2001 – 98min.

Filmkritik

Skandal im Polizeihaus

Filmkritik: Karin Gfrörer

Beinahe so spannend wie ein Krimi - Der Zahltagsdiebstahl von 1963 im Zürcher Polizeihauptquartier. Detektivwachtmeister Meier 19 wagte als einziger, auf Schlampereien in der Untersuchung hinzuweisen. Erich Schmid verfilmte in einer Art Krimi-Dokumentarfilm den lebenslangen Kampf des Couragierten.

In der Nacht auf den 27. März 1963 wurden im Zürcher Polizeihauptquartier Zahltagssäckli im Wert von 80´000 Franken gestohlen. Alle Indizien deuteten darauf hin: Der Täter musste ein Insider sein. Trotzdem führte die Stadtpolizei die Untersuchung selber. Noch dazu wurde sie von Kripo-Chef Hubatka geleitet, dessen Alibi nachweislich falsch und lückenhaft war. Detektivwachtmeister Kurt Meier, angesichts der Namensvetter im Korps "Meier 19" genannt, klopfte als beinahe einziger der Obrigkeit auf die Finger. Jahrelang kämpfte er um eine gerechte Aufklärung des Diebstahls, riskierte dafür Job, Freiheit und Familie.

Der sogenannte Zahltagsdiebstahl sollte die Öffentlichkeit bis in die 70er Jahre beschäftigen. Er ist bis heute ungeklärt geblieben. Ein Tagi-Redaktor, Paul Bösch, hat sich des Falls angenommen und 1997 ein Buch über die ungeheuerlichen Vertuschungs- und Deckungsversuche geschrieben. Erich Schmid verfilmte die Story. Das Resultat: Ein dramaturgisch teilweise streitbarer aber spannender Krimi-Dokumentarfilm über einen der bewegendsten Zürcher Justizskandale.

Schmid setzte den Skandal vor den Hintergrund einer ungeheuerlich korrupten Vetterliwirtschaft der damaligen Ranghöheren und der anschwellenden Jugendbewegung, die sich die Figur des "Meier 19" im Laufe der Jahre zum Symbol gemacht hat. Der rote Faden bildet der lange Kampf Kurt Meiers um Gerechtigkeit und Aufklärung. Da Originalbildmaterial selbstverständlich kaum vorhanden war, führt uns der noch lebende Kurt Meier zu damaligen Schauplätzen - ins Polizeihaus, zum Tresor, ins Odeon, nach Hause. Der noch immer rüstige Meier erzählt uns, wie er darauf aufmerksam geworden ist, dass bei der Untersuchung des Falles geschlampt wurde. Hubatka, der damalige Polizeichef, stand und steht dabei ganz vorne auf Meiers Verdächtigtenliste. Er hat eine Stellungnahme letztendlich abgelehnt. Jedoch, und das macht den Skandal der Geschichte aus, wurde dieser von allen Seiten gedeckt. Noch schlimmer: Kurt Meier wurde mundtot gemacht, entlassen und vor den Richter gezerrt. Neben anderen Zeitzeugen, erklärt auch Paul Bösch, der in akribischer Arbeit Akten zum Fall zusammengetragen hatte, vor der Kamera, warum das Eine und Andere gehörig stinken muss.

Trotz filmischen Schwächen - gestelztes Fernsehinterview, befremdende familiäre Analysen - und trotz des schaurigen, eigens dazu komponierten Titelsongs, vermag der Krimi-Dok die Zuschauer zu fesseln, gehörig empören und bei einigen sogar Detektivlust wecken.

17.02.2021

4

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Kommentare

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katharin

vor 7 Jahren

Es gibt keinen Film, der aufschlussreicher wäre, für den revolutionären Zeitgeist von 1968 - und dies anhand eines Detektivs der Züricher Stadtpolizei, der Korruption aufdeckte und im Gefängnis landete. Die revoltierende Jugend, zusammengeprügelt von Meier 19's Arbeitskollegen, erhob ihn zu einer Symbolfigur des Protests.Mehr anzeigen


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