O - Vertrauen, Verführung, Verrat USA 2001 – 95min.

Filmkritik

Netz aus Neid und Eifersucht

Thomas Hunziker
Filmkritik: Thomas Hunziker

Ein neidischer Schüler zerstört die Liebe seines Kontrahenten durch giftige Anschuldigungen. Unschuld hat kein Platz in dieser erstklassigen Tragödie um fehlplatziertes Vertrauen und trügerische Machenschaften.

Der Neid brennt aus den Augen von Hugo (Josh Hartnett, "Pearl Harbor"). Das Spiel auf dem Basketballfeld seiner High School in South Carolina wird dominiert vom schwarzen Spitzensportler und Musterschüler Odin (Mekhi Phifer), der die Punkte für die Siege wirft. Doch die ganze Arbeit für Odins Ruhm leistet Hugo, der die Bälle stiehlt und seine Mitspieler frei blockt. Dennoch teilt Odin die Auszeichnung zum wertvollsten Spieler nicht mit Hugo, sondern mit dem jüngeren Michael (Andrew Keegan), wodurch Hugos Zorn noch weiter geschürt wird. Da auch Hugos Vater (Martin Sheen), der Coach der Basketballmannschaft, Odin in seiner Gunst bevorzugt, und Odin mit der hübschen Desi (Julia Stiles, "Save the Last Dance"), der Tochter des Dekans, liiert ist, schmiedet Hugo einen Plan, um Odins Glück zu zerstören. Zuerst erschleicht sich Hugo das Vertrauen von Michael und Desis Zimmergenossin Emily (Rain Phoenix), dann pflanzt er geschickt die Saat des Misstrauens. Mit einigen wenigen Anspielungen weckt Hugo die Eifersucht in Odin, dessen innige Liebe zu Desi zu einer grausamen Waffe wird.

Die Geschichte hört sich vertraut an, schliesslich basiert sie auf einer der bekannteren Tragödien von William Shakespeare. Das Theaterstück "Othello" über Neid, Vertrauen und die zerstörerische Kraft der Liebe wurde bereits mit Laurence Fishburne in der Titelrolle verfilmt. Die Handlung nun an eine High School in den USA zu verlegen, folgt der jungen Tradition, klassische Stoffe für Teenager zu verfilmen. Jane Austen ("Emma" als "Clueless"), George Bernard Shaw ("Pygmalion" als "She's All That") und Dostojewski ("Crime and Punishment" als "Suburbia") haben ihren Weg auf die amerikanischen Schulhöfe gefunden. Besonders Texte von Shakespeare nehmen in High-School-Filmen nicht selten eine zentrale Rolle ein, sei dies in Schulaufführungen wie in "Whatever It Takes" (2000) und "Get Over It" (2001) oder einfach im Schulunterricht, wo seine Stücke immer noch zum Pflichtstoff gehören. Bereits in "10 Things I Hate about You", basierend auf "The Taming of the Shrew", und "Hamlet" spielte Julia Stiles in zwei modernisierten Stücken des englischen Barden mit. Bei dieser Allgegenwart von Shakespeare lässt sich allerdings auch nicht übersehen, dass das Wort "Shakespeare" in den letzten paar Jahren - nach der Renaissance des bekanntesten englischsprachigen Autors anfangs der neunziger Jahre (die 1996 in der opulenten "Hamlet"-Verfilmung von Kenneth Branagh und der rasanten Umsetzung von "Romeo and Juliet" durch Baz Luhrmann ihren Höhepunkt erreichte) -, bei der Vermarktung von Filmen wieder zu einem Handicap geworden ist. Grundlos, wie das Beispiel von "O" zeigt. Die Themen von Neid, Eifersucht und Intrigen lassen sich problemlos an eine High School der Neuzeit übersiedeln.

Regisseur Tim Blake Nelson (als Schauspieler in "O Brother, Where Art Thou?" zu sehen) ist darauf bedacht, die Geschichte so einfach wie möglich voranzutreiben. Für seine Umsetzung hielt er die Struktur des Stückes bei, entledigte sich aber der Originalsprache, die auf das Zielpublikum oftmals abschreckend wirkt. Die Vielfalt der Sprache ersetzte er dafür durch einen Reichtum in der Gestaltung der Bilder, der es ihm ermöglicht, die Themen aus dem Theaterstück geschickt auf die gewählte Situation zu übertragen und die spannungsgeladenen Beziehungen zwischen den Figuren zu verdeutlichen. So widerspiegelt sich das "O" aus dem Titel im Kreis des Basketballkorbes und in der Treppenform des Gebäudes, wo Hugo mit einem Schulkameraden die Verschwörung plant. Auch die Aussenaufnahmen in South Carolina tragen viel zur bedrückenden Atmosphäre bei. An den Gebäuden aus der Kolonialzeit weht unheilvoll die amerikanische Flagge, ein Symbol gleichzeitig für Freiheit und Demokratie, aber auch für Erfolgszwang und Gewalt, und ein Vorzeichen für das tragische Ende.

Wären die Umstände nicht so tragisch, wäre es ironisch, dass der Film in den USA eigentlich schon vor zwei Jahren hätte in die Kinos kommen sollen, aber aufgrund der Schiessereie an der Columbine High School auf ein späteres Datum verschoben wurde. Die Aktualität des Stoffes wird durch diesen Zusammenhang mit Jugendgewalt und Gruppendruck deutlich unterstrichen, die in "O" auch thematisiert werden. Wer sich von der Materie nicht gleich zu angeregten Diskussionen angespornt fühlt, darf sich immerhin auf ein gut gespieltes und packendes Jugenddrama freuen, das die Gefühlswelt der Jugendlichen nicht vernachlässigt.

19.08.2020

4

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Kommentare

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jammyfellow

vor 22 Jahren

Josh Hartnett als Bösewich: einfach spitze!!!


ussnevada

vor 22 Jahren

Da hat man es mal wieder gesehen: jOsh und ein toller Film zusammen, einfach perfekt!!! Also, wenn man Josh nicht mag, ist der Film trotzdem gut und wenn man die Art Filme nicht mag, ist Josh ja immer noch da!!! *g*
Nevada
Ps: Ich les übrigens gerade Othello, also nicht das Filmbuch sondern das Ding von Shakespeare: 'O'Gott, voll schwer, aber cool! Aber ich find das echt cool!
Was die so mit den Namen gemacht haben, voll passend: Jago=Hugo, Othello= Odin, Desdemona=Desi, Emilia=Emily usw.Mehr anzeigen


ussnevada

vor 22 Jahren

Sooo toller Film und: JOSH!


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