Filmkritik
Puccini auf der Leinwand
Opernverfilmungen sind immer Gratwanderungen. Benoît Jacquot hat den bühnennahen Weg mit den Stars der klassischen Oper Angela Gheorghiu (Tosca), Roberto Alagna (Cavaradossi) und Ruggero Raimondi (Scarpia) eingeschlagen. Welches Ziel wir mit ihm erreichen, ist nicht unbedingt klarer, wenn Tosca ihren Todessprung vollbracht hat.
Zwar fehlt das Publikum im Saal und die Bühne ist teilweise in die tatsächlichen Räume des Geschehens in Rom verlagert, aber auf eine Modernisierung wurde verzichtet. Die wenigen Bilder von römischen Gebäuden und Parks sind farblich verfremdet und grobkörnig, was uns an die damalige Zeit erinnert. Einzig Szenen von Aufnahmesitzungen im Stile eines Making-Of reißen uns hin- u. wieder aus einem allzu schwelgerischen Miterleben, zu dem uns die hochromantische Musik, die dramatische Handlung und die bildhübsche Angela Gheroghiu und der eindrucksvolle Raimondi verführen. Dass der dickliche Cavaradossi Frauenherzen weniger hoch schlagen lässt, ist dem Einsatz wirklicher Sänger geschuldet, die nach Stimme und nicht nach Aussehen engagiert werden. Dass Sänger auch nicht wirklich gute Schauspieler sind, merkt man bald - trotz schöner Bühenansichten und einfallsreicher Kamerablickwinkel, die uns manchmal steil von oben herab, manchmal schräg von der Seite blicken lassen, was vom Opernsitzplatz leider nie möglich ist. Das sind die stärksten visuellen Momente. Problematisch ist dagegen der musikalische Anteil. Während Cavaradossis Effektschluchzer noch Geschmackssache sind (meiner nicht), darf man die verstimmte (?) Orgel und die wackelige Intonation des Knabensoprans bemängeln, der seinen Eltern unendlich dankbar sein wird, dass sie ihn mit seiner wenig vorteilhaften Zahnspange in Nahaufnahme verewigen ließen. Ob der Regisseur damit in einem Anfall von Anti-Illusionismus ein Gegengewicht setzen wollte?
An wen sich diese Produktion richtet, ist deshalb nicht ganz klar. Der Opernfan wird wegen des im Vergleich zum Opernbesuch schmalbrüstigen Kinotons enttäuscht sein. Man fühlt sich auch nicht wirklich wie in der Oper, weil die wenigen Singstimmen wie bei den meisten Studioproduktionen stark über den Orchesterklang montiert wirken anstatt integriert. Handelt es sich ev. um die Vorauswertung einer DVD-Produktion? Im Kino fehlt leider die Interaktivität. Wenigstens wurde auf eine Interpretation verzichtet und der Stoff quasi neutral präsentiert. Dies könnte den einen oder anderen Neuling zu einem Besuch veranlassen, werden doch in den meisten Opernhäusern gar schreckliche Experimente mit alten Stoffen angestellt, die dem gelegentlichen Besucher den Einstieg in diese doch sehr artifizielle und ferne Welt verunmöglichen.
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