Filmkritik
Ganz schön gschpürig
Da ist ein junger Mensch. Was er will? Musiker werden und total leben oder total sterben! Nichts dazwischen. Doch dazwischen gibt es einiges. Was? Der Schweizer Regisseur Stefan Haupt ("Inchreschantüm") zeigt es in seinem ersten Spielfilm, einem gschpürigen und recht geglückten obendrein.
Am Anfang steht die Welt Kopf. Da hängt einer von einem Baum und sieht alles verkehrt. Gestatten: Rafael Hasler (Michael Finger), junger Mann mit grossem Traum. Er will als Musiker in die Welt hinaus und zwar mit dem Dani (Martin Ulrich) und der Utopia Blues Band. Das ist verkehrt, Bub, sagt die Welt, werd' erst was Rechtes. Für Rafael ist recht aber nur eines: Musik. Total leben oder total sterben, wie gesagt. Und nichts dazwischen.
Das Dazwischen aber kriegt er zu spüren, und wir kriegen es vorgeführt. Aus einem, der Musiker werden will, wird, eh man sich's versieht, ein Psychiatriefall. Weil zwischen Rafaels Traum und der Wirklichkeit liegt einiges. Zu viel Biederkeit, zu viel Mutter (Babett Arens), kein Vater, zu wenig Wärme. Zum Glück reicht ein geliebter Grossvater (Ettore Cella) nicht. Jäh ist die Welt eine aus weissen Kitteln und Psychopharmaka. Doch alles kommt nicht zum Schlechten. Im Internat gelingt ein Durchbruch. Die Liebe macht Musik. Und am Ende steht Rafael mit dem Kopf in der Welt. Unsicher zwar, aber geborgen.
Sein erster Spielfilm, beruhend auf den Aufzeichnungen einer Mutter, die ihren Sohn verlor, der Musiker hat werden wollen, habe weder Downer noch Upper werden sollen, sagt Stefan Haupt, bis anhin vor allem Dokfilmer ("Increschantüm") und Theaterregisseur. Balance halten ist also Programm. Erzählend das Gleichgewicht nicht verlieren, wenn dies die Hauptfigur schon ständig tun muss. Es pendelt also der Film. Ist eine Sozialstudie, durchsetzt mit wirklich poetischen Einfällen. Ist ein Film, der betroffen macht, aber nie zum Betroffenheitskino gerät. Ist ein Musikfilm, natürlich, lebt schön von dem eigenartigen Groove irgendwo zwischen Reggae und Drum 'n Bass von Tino Ulrich. Doch vielleicht ist der Balance fast ein wenig gar viel. Gar selten schlägt der Film experimentellere Töne an. Ist stark den psychologischen Deutungsmustern verhaftet, die wir so gut kennen. Auch wenn er der Gefahr entgeht, einen jungen Unangepassten bloss Opfer seiner bornierten Umwelt werden zu lassen. Die Fantasie ist meine gefährlichste Droge, sagt Rafael. Dies hätte auch ein programmatischer Satz für "Utopia Blues" sein können. So bleibt ein leichtes Bedauern, bei aller Freude über einen gschpürigen Film.
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Kommentare
Gelöschter Nutzer
Verfasst vor 22 Jahren
cool!
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