Filmkritik
Verwirrspiele im Wilden Westen
In einer schweizerischen Produktion mit amerikanischen Hauptdarstellern wird die Medienlandschaft auf den Kopf gestellt. Die inhaltlich amüsante, formal aber teilweise überreizte Satire ist zwar kein Meisterstreich, bietet aber dennoch angenehme Abendunterhaltung.
Sheriff Nolan Sharpless (Fred Ward, "Short Cuts", "Tremors") aus dem amerikanischen Bundesstaat Colorado steht mit dem Rücken zur Wand: Die Entführung des Schweizer Künstlers Urs Vogelaug alias Birdseye (Stefan Kurt) endete seiner Ansicht nach mit der Ermordung des Entführten. Seine Theorie wird in Frage gestellt, als nach der Verhaftung des Entführerpärchens Heidi Logan (Amy Hathaway) und Trent Doone (Johnny Withworth) immer noch mehrere Überfälle begangen werden – angeblich von Birdseye. Sharpless wird suspendiert, arbeitet aber fortan noch intensiver an der Lösung des Falls. Für die verrückten Experimente, die zur Aufklärung des Verbrechens führen sollen, lässt er seinen 16-Jährigen Sohn Ben einspringen. Gemeinsam folgen sie den Spuren, die von Heidi und Trent auf ihrer Odyssee durch den amerikanischen Westen hinterlassen wurden und stossen dabei auf manche Ungereimtheiten. Ihre Nachforschungen, die sie auch nach Zürich führen, werden von einem Kamerateam aufgezeichnet, das die Einzelteile zu einem Westernkrimi zusammensetzt.
Die wilde Mediensatire des schweizerisch-amerikanischen Regieduos Michael Huber und Stephen Beckner wurde von Samir's Produktionsfirma Dschoint Ventschr hergestellt. Der Bezug zur Schweiz ist dabei jedoch nur sekundär. Stephanie Glaser ("Komiker"), Hanspeter Müller ("Lüthi und Blanc") und Mike Müller ("Ernstfall in Havanna", "Viktors Spätprogramm") dürfen, ebenso wie die Tele-24-Prominenz Patty Boser und Ivana Imoli, in kleinen Kurzauftritten Schweizer Präsenz markieren. Auch die Auseinandersetzung mit den Medien und der Wahrheit ist ein universelles Thema, das aber scheinbar in der Schweiz auf grosses Interesse stösst, setzten sich doch schon "Exklusiv" und "Ernstfall in Havanna" damit auseinander. Während Florian Froschmayer's Thriller die moralisch zweifelhafte Rolle der Medien anklagt und die Giacobbo-Komödie sich darüber lustig macht, dreht sich in "Birdseye" die Handlung um die Mystifizierung der Hauptfigur, die mit den Mythologien des Wilden Westens verschmolzen wird. Aber nicht etwa Wilhelm Tell taucht bei den Cowboys auf (denn Freiheitskämpfer haben sie in den USA schon genügend), vielmehr betätigt sich der untote Schweizer Künstler als Robin Hood.
Als Form ihrer Kriminalsatire wählten Huber und Beckner die Pseudodokumentation, auch «Mockumentary» genannt. In diese Gattung lassen sich auch die beiden "Blair Witch Project"-Filme einordnen, wobei hier vor allem die Fortsetzung, "Book of Shadows", ähnlich wie "Birdseye" auf die zwiespältige Wechselwirkung zwischen der Aufmerksamkeit der Medien und der Aufklärung eines Verbrechens eingeht. Meister des Genres sind zweifellos Christopher Guest und seine Freunde, die indessen weniger ernsthafte Themen aufgreifen. Mit viel Schalk mokieren sie sich über lokale Musicalproduktionen ("Waiting for Guffman"), Hundeschönheitskonkurrenzen ("Best in Show") oder Folkmusik ("A Mighty Wind"). Die Figuren sind in diesen Produktionen immer skurrile, aber liebenswürdige Menschen von nebenan. In «Birdseye» hingegen werden diese Gestalten stark überspitzt dargestellt – der übereifrige Sheriff Sharpless ist lediglich eine Karikatur eines Gesetzeshüters, gleich wie der unergründliche Schweizer Künstler Vogelaug oder die Möchtegern-Kriminellen Heidi und Trent. Auch wenn die Regisseure oftmals den Kern treffen, so drängt sich mit der Zeit doch das Gefühl auf, dass es sich bei ihrem Film um einen überlangen Sketch handelt. "Birdseye" verfügt über zahlreiche hervorragende Momente, scheitert letztlich aber an der gewählten Form, welche die Entstehung eines einheitlichen Gesamtwerkes verunmöglicht.
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