Filmkritik
Szenen zweier Ehen
Der Ehebruch als Ausbruch: Eine Affäre krempelt das Leben zweier Paare um, deren Beziehungen im Alltag fest gefahren sind. Mit viel Witz und Poesie passiert Andreas Dresens Film "Halbe Treppe" sämtliche Stationen einer Achterbahnfahrt der Gefühle.
Liebesbeziehungen sind zarte Pflänzchen. Werden sie nicht unablässig gehegt und gepflegt, droht die emotionale Austrocknung. Derlei Ernüchterung hat sich bei den Paaren Kukowski und Düring breit gemacht, beide wohnhaft in Frankfurt/Oder und miteinander befreundet: Während sich Ellen Kukowski (Steffi Kühnert) von ihrem Gatten Uwe (Axel Prahl) vernachlässigt fühlt, weil dieser die ganze Zeit in seiner Imbissbude schuftet, ist bei Radiomoderator "Magic" Chris (Thorsten Mering) und seiner zweiten Frau Katrin (Gabriela Maria Schmeide) nicht mehr viel los im Bett.
Wie der Zufall so will, lässt Katrin an einem gemeinsamen Diaabend bei Kukowskis ihr Handy liegen: Als Ellen dieses am nächsten Tag zu Chris ins Radiostudio bringt, funkt es so heftig, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis sich die beiden in den Armen liegen. Die Affäre nimmt ihren Lauf, und Chris verpackt seine Liebesbotschaften in den täglichen Horoskopen, die er mit "Dauerpower vom Powertower" über den Sender schickt. Doch die Heimlichkeit der Affäre ist nur von kurzer Dauer: Katrin erwischt das Liebespaar in flagranti, worauf Ellen zuhause reinen Tisch macht: "Ich habe mich verliebt", gesteht sie ihrem verdutzen Gatten. Eine Beziehung sei schliesslich kein Marathon, ist auch Chris überzeugt.
Eisbein in der Badewanne
Regisseur Andreas Dresen und Produzent Peter Rommel, die zuletzt für den Dokumentarfilm "Nachtgestalten" (1998) zusammenspannten, sind mit "Halbe Treppe" ein dramaturgisches Wagnis eingegangen: Da bei Beginn der Dreharbeiten kein Skript existierte, wurde quasi aus dem Bauch heraus gedreht. Ausgehend von einer losen Figurenkonstellation, wurden sämtliche Szenen improvisiert. Das Resultat dieses Experiments kann sich mehr als nur sehen lassen: "Halbe Treppe" ist so tragikomisch wie das Leben, so komplex wie eine langjährige Liebesbeziehung und so frisch wie ein Bad in der Oder. Dresen inszeniert mit viel Gespür für Authentizität und bedient sich dabei aus dem unerschöpflichen Fundus der Alltagskomik. Besonders witzig: Die Astro-Prognosen von "Magic" Chris oder die Aufregung um Eisbein in der Badewanne und den entflogenen Wellensittich Hans-Peter.
Ohne sich dem Dogma-Prinzip anzubiedern, überzeugt der auf einer digitalen Kamera gefilmte Streifen durch seinen dokumentarischen Gestus. Charmant ist auch der musikalische Auftritt: Zum Schluss sind die "17 Hippies" komplett, die als musikalischer Running-Gag durch den Film ziehen und mit ihren Stücken eine beschwingt-melancholische Stimmung verbreiten. Bemerkenswert an "Halbe Treppe" ist im übrigen die demokratische Art und Weise, wie die Filmcrew entlöhnt wurde: Vom Ausstatter bis zum Hauptdarsteller erhielten alle Mitwirkenden die gleiche Gage.
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