Filmkritik
Sich-Verlieren in der Zeit
"Heremakono - En attendant le bonheur", der erste mauretanische Spielfilm, erzählt - sich zwischen Fernweh und Sehnsucht nach der Heimat verlierend - wunderbar schwebend vom Verhängen in der Zeit.
Es gibt Orte - Städte, Küstendörfer, Weiler - die eigentliche Passagen bilden. Sie stehen am Übergang von Ost nach West und von Nord nach Süd. Verbinden den Okkzident mit dem Orient, sind letzte Station, bevor man ein Land oder einen Kontinent verlässt - in "En attendant le bonheur” ist es Afrika - um irgendwo sonst hinzukommen. Solche Orte, meint Regisseur Abderrahmane Sissako, seien "comme des parenthèses", wie Klammern, und sie seien Provisorien. In Mali tragen sie einen eigenen Namen: "Heremakono", was so viel heisst wie "en attendant le bonheur" oder zu deutsch "das Glück erwartend".
"Heremakono - en attendant le bonheur" hat Sissako nun auch seinen ersten ganz in Mauretanien spielenden Film überschrieben, der notabene der erste mauretanische Spielfilm überhaupt ist. Ort der Handlung ist Nouadhibou, eine kleine, atlantische Küstenstadt am Rande der Westsahara. Die Häuser sind niedrig. Der Sand gleisst. Das Meer glitztert. Ein ewiger Wind treibt ganze Büsche vor sich her. An diesem Ort und in diesem Film scheint die Zeit still zu stehen. Als erstes trifft man einen Mann, der sein Transistor-Radio im Sand vergräbt. Eine alte Frau bringt einem Mädchen alte Lieder bei. Männer hocken im Kreis und trinken Tee. Ihre Gespräche kreisen um die immer gleichen Themen: Um einen der wegzog, ihre Erlebnisse als Fischer, eine Leiche am Strand.
Khatra, der Bub, der so gerne Elektriker werden möchte, sitzt zusammen mit Opa Maata bei den Alten und saugt die Geschichten mit weit offenen Augen auf. Eines Tages spuckt ein vorbeifahrendes Taxi einen jungen Mann aus: Abdallah ist gekommen um vor seiner Abreise nach Europa ein paar Tage bei seiner Mutter zu verbringen. Er ist fremd im Dorf, spricht weder die Sprache der Einheimischen noch zeigt er Interesse an diesem Ort, an dem die Moderne höchstens in Form einer nackt an ein langes Kabel angeschlossenen Glühbirne anzutreffen ist.
Abdallah verbringt die Tage zurückgezogen in seinem Zimmer. Doch Khatra, von der Neugier des Kindes getrieben, ihn nicht in Ruhe. Ein ums andere Mal lugt er durchs ebenerdige Fenster und bringt Abdallah wild gestikulierend das eine oder andere Wort bei. Aber auch die Verwandten wollen den Fremden kennen lernen. Sie bitten ihn zum Tee, fragen ihn radebrechend nach Europa und seinen Plänen. Und dann macht Abdallah die Bekanntschaft von Nana, einer anmutigen jungen Frau, die ihr Herz einem Europäer verschenkte, diesem ein Kind gebar das später starb, und in deren Augen für Abdallah das Versprechen einer möglichen Liebe aufflackert.
"Heremanoko - en attendant le bonheur" ist weniger ein Film übers Weggehen und Abschiednehmen als vielmehr eine filmische Reflexion über das Verweilen im Jetzt und das stete Vergehen der Zeit. Er ist eine Reflexion auch über das Warten auf ein Glück, von dem man nie wissen kann, wo und wann es einen einholt, und obwohl "Heremakono - en attendant le bonheur" ein Spielfilm ist, haftet ihm der Gestus des Dokumentarischen an. Er bewegt sich ausserhalb eines - inzwischen leider oft auch im afrikanischen Kino anzutreffenden - zielgerichteten Storytellings, nimmt sich Zeit, seinen Laiendarstellern beim Leben zuzuschauen. Lässt den Zuschauer schwerelos schweben in weiss-weissen Bildern, in denen rastlos der Wind weht, der Tod seinen Schrecken verliert, Fernweh und Sehnsucht nach der Heimat ineinander verschmelzen. "Heremakono - en attendant le bonheur" ist schön und unreal, geheimnisvoll und zeitfrei wie ein Traum.
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