Filmkritik
Knarrendes Gras und mordende Grossmütter
In einem Dorf werden die Männer vergiftet. Doch nicht der Plot interessiert in "Hukkle", dem wundersamen Erstling des Ungarn György Pálfi: Es sind die ungewohnten Bilder und Töne, die fesseln.
Die erste Einstellung gibt zunächst Rätsel auf: Vor dunklem Hintergrund bewegen sich braune Schichten, die Ziegeln ähneln, in langsamer Regelmässigkeit, untermalt von einem Geräusch wie von aneinander reibendem Leder: Es ist eine Schlange, die (in Makroaufnahme) über ein sonnendurchflutetes Dorf wacht. Der Einstieg ist Programm dieses wundersamen Erstlingsfilms vom Ungarn György Pálfi: Fotografie (Gergely Pohárnok) und Ton (Tamás Zányi) konzentrieren sich auf bemerkenswerte Details - wie die Schuppen des Unheil verkündenden Tiers -, die sich in der Montage zu einem Gedicht über das Landleben verdichten.
"Hukkle" würde wohl "Hicks" heissen auf Micky-Maus-Deutsch, und tatsächlich begleitet uns die Rhythmik des Schluckaufs eines alten Mannes durch den Film, der ganz Bild ist und ganz Ton, nie aber Wort. Es wird nicht gesprochen im Dorf, jedenfalls nicht vor dem Mikrofon. Die Kamera wirkt auf den ersten Blick beobachtend, man könnte eine ethnografische Dokumentation vermuten, die uns eine Gemeinschaft vorstellt im Konflikt zwischen Alt und Neu (so sieht man neben modernen Mähdreschern wie ein Träumer mithilfe eines Generators Wasser abpumpt). Wären da nicht die einer klaren Choreografie folgenden Kamerabewegungen: So kreist der Blick um eine alte Bäuerin, bis im Vordergrund ein Storch sichtbar wird. Im Zeitraffer wachsen Maiglöckchen, und das hören wir auch: Es ächzt und knarrt auf der Tonspur.
Hukkle interessiert sich aber nicht nur für die Poetik des Kleinen, sondern erzählt eine Geschichte, und hier liegt die Schwäche des Films. Wenn die Alte die mühsam gewachsenen Maiglöckchen pflückt und sie zu einem tödlichen Saft verarbeitet, den sie den Dorffrauen gibt, wenn diese ihre Männer zu töten versuchen und aus Versehen mal die Enkeltochter mitvergiften, mag das vordergründig eine zusätzliche Spannung erzeugen. Ohne Dialog, ohne Hintergrund aber wird die Motivation nie klar, auch nicht, wenn am Schluss an einer Hochzeit (nicht alle Männer sind tot) gesungen wird "macht dein Mann dir Schererei'n / schneid ihm Belladonna ins Essen rein". Die Plage der Männer bleibt nämlich reine Behauptung, und Hukkle hat diesen Spannungsbogen auch gar nicht nötig, bei dem ich mich plötzlich versteifte auf die giftigen Säfte und darauf, wem sie wie verabreicht werden. Weniger (Handlung) wäre mehr (Mut) gewesen.
In seinen besten Momenten aber verdichtet sich der Film zu einer Symphonie von Flora und Fauna, und wie Pálfi mit Bild und Ton umgeht, ist atemberaubend. Allein dieses Erlebnis lohnt - und diese Abschlussarbeit an der Filmakademie Budapest (!) lässt hoffen auf weitere Werke dieses Jungfilmers, die sich besinnen auf die Poetik von Film.
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