Ich bin Sam USA 2002 – 132min.

Filmkritik

Fast nur die Liebe zählt

Stefan Gubser
Filmkritik: Stefan Gubser

Kann ein geistig behinderter Mensch ein Kind erziehen? Oder einfacher gefragt: Ist Liebe alles, was ein Kind braucht? Fast, sagt Jessie Nelson mit "I Am Sam", einem fabelhaften Sean Penn und der atemberaubenden Michelle Pfeiffer. Das ist schön. Zu schön?

Der geistig behinderte Sam (Sean Penn), ein, wie die Amerikaner sagen, geistig Herausgeforderter, wird allein erziehender Vater. Ein erwachsener Mann, im Geiste sieben Jahre alt und zwar sein ganzes Leben lang, steht vor der Herausforderung ein Kind zu erziehen. Der ist er nicht gewachsen, sagt Vater Staat, und steckt die süsse, kluge, kleine Lucy (Dakota Fanning) ins Kinderheim. Lucy gehört zu mir, sagt Sam, denn ich liebe sie, und sie liebt mich, und wir gehören so zusammen, wie auch John Lennon UND Paul McCartney zusammen gehörten, denn sonst wäre nie ein so schöner Song wie "Michelle" zustande gekommen. Sagt's, der Beatles-Verrückte und geht vor Gericht. Und weil auch geistig Herausgefordete Glück haben im Leben, trifft er die Anwältin Rita Harrison (Michelle Pfeiffer). Mit ihrer Hilfe kämpft er um seine Tochter. Der Kampf ist nur am Anfang aussichtslos.

Manches ist gut an Jessie Nelsons zweitem Spielfilm. Sean Penn, zum Beispiel. Der hat seinen "Rainman" gut drauf. Der Gang mit dem leicht gesenkten Haupt in der bis unter die Schultern hochgezogenen Hose hat ihm fast einen Oscar eingebracht. Fast. Nicht allein seine Socken waren wohl eine Spur zu weiss. Michelle Pfeiffer ist so famos, wie sie immer noch aussieht, auch wenn sie im Film das Gegenteil behauptet. Zwischen den Behinderten und den Schauspielern, die es zu sein vorgeben, merkt man keinen Unterschied. Der Ernst des Themas, so sagt Freund leichter Muse, wird aufgewogen durch manch komischen Augenblick mit Sam und seinen drolligen Freunden. Und der Soundtrack ist toll, auch wenn man die Beatles selber nicht mehr hören mag. Aus rechtlichen Gründen wurde gecovert. Nick Cave tut es, und andere auch. Richtig schön.

Aber das ist im Grunde alles schöne Oberfläche. Die zentrale Frage, die sich der Film gefallen lassen muss, ist, ob seinem Betrachter nicht die Meinung, geistig Behinderte können Kinder erziehen, wenn sie nur lieben, so aufgezwungen wird, dass man sich fühlt, als trage man Kleider, in die sogenannt normale Menschen Behinderte zu stecken pflegen. Jein, so darf man antworten, weil der Film zum Schluss einen schönen Kompromiss vorschlägt. Haarscharf entgeht Jessie Nelson so einer allzu naiven Botschaft, die ihr aus dem amerikanischen Dogma des "You can do it" und der Heiligsprechung der Familie als der einzig menschlichen Lebensform zu erwachsen droht. Entgeht, sage ich. Und darum gehen auch Sie jetzt. Den Film kucken.

25.01.2021

3

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Kommentare

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vor 12 Jahren

heulattacken sind programm! kein film kam mir jemals so nahe wie dieser!


movie world filip

vor 13 Jahren

schwachsinn wie zum beispiel filmen wie nelly.... jede darsteller muss mal ein idioot spielen, manche hoffen noch ein oscar zu bekommen damit, nein... dustin hoffman hat es schon zu viel versucht, jetzt penn nochmal. nein, das war nicht gut


sniper8

vor 17 Jahren

berührend, eindrucksvoll und schauspielerisch sehr gut untermauert. das sind meine drei stichwörter wenn mir dieser absolut gelungene film in den sinn kommt. noch nie stand ich den tränen so nahe, wie bei "ich bin sam".
sean penn: einsame klasse
michelle pfeiffer: umwerfend gut
dakota fanning: mein favorit unter den jungstars
viel mehr kann ich da gar nicht sagen. einfach rührend, auch das zusammenspiel der darsteller. wunderbar.
bis vielleicht darauf, dass der film etwas lange ist, kann ich ihn nur weiterempfehlen und mir fällt nicht viel schlaues ein für die kritik.
deshalb gibts von mir auch 5 sterne.Mehr anzeigen


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