L'Auberge espagnole Frankreich, Spanien 2002 – 122min.
Filmkritik
L'Auberge espagnole
Cédric Klapisch macht eine Liebeserklärung an die erste Generation junger Europäer, die seiner Meinung nach über Nationalitätengrenzen hinweg eine gemeinsame, multikulturelle Identität findet. Das schafft er auf leichtfüssige und sympathische Weise.
Xavier (Romain Duris), Mitte zwanzig, macht sich langsam Gedanken über seine berufliche Zukunft nach dem Abschluss der Uni. Vitamin B kann nicht schaden, darum nimmt der Student ohne viel Enthusiasmus Kontakt mit einem Freund seines Vaters auf, der Xavier in einem Ministerium einen Posten verschaffen soll. Einzige Bedingung: Xavier muss spanisch sprechen und von der spanischen Wirtschaft eine Ahnung haben. Kein Problem: Das "Erasmus" Austauschprogramm der europäischen Universitäten macht das Studieren im Ausland möglich. Doch da fängt das "bordel" schon an. Xavier hetzt durch ein kafkaeskes Labyrinth von Formularstelle zu Formularstelle, die Freundin (Audrey Tautou) heult, die Mutter gibt sich bedrückt. Als Xavier endlich ins Flugzeug nach Barcelona steigt, ist er erleichtert und ängstlich zugleich.
In der spanischen Metropole fühlt er sich erst verloren wie auf dem Mond. Alles ist fremd, alles ist neu. Bis er in eine chaotische siebenköpfige WG einzieht - "un vrai bordel". Diese ist eine Art Europäische Union als Mikrokosmos, ein Schmelztiegel von Nationalitäten, Mentalitäten und Persönlichkeiten. In einem babylonischen Sprachengewirr aus Dänisch, Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch und Spanisch findet Xavier eine neue Identität. Und bei der verklemmten, verheirateten Flugzeugbekanntschaft Anne Sophie (Judith Godrèche) auch amouröse Abenteuer.
Eigentlich ist es eine simple Geschichte, die Regisseur Cédric Klapisch ("Peut-être", "Chacun cherche son chat") erzählt, Alltagsepisoden einer besonderen Zeit. Man kann sie belang- und manchmal etwas planlos finden, aber Klapisch vermag seine Anekdoten mit einem unbeschwerten, lebensnahen Charme zu vermitteln. Vor allem hebt sich "L'Auberge Espagnole" angenehm von den amerikanischen Teeniekomödien ab. Ja, es geht auch um Sex und Liebeskummer, um Saufereien, Ernüchterung und letztendlich ums Erwachsenwerden. Aber Klapisch beweist, dass man diese Themen auch ohne Anreicherung durch Fäkalhumor und pubertäre Fantasien abhandeln kann.
Das Ensemble besteht weitgehend aus unbekannten Schauspielern in der jeweiligen Nationalität ihrer Figuren. Dazwischen sticht der Name Audrey Tautou heraus: die ehemalige Amélie de Montmartre. Mit ihr wird fleissig Werbung gemacht, aber letztendlich besetzt sie nur eine Nebenrolle als eifersüchtige Freundin - Klapisch engagierte den französischen Shootingstar, bevor ihr der grosse Durchbruch gelang.
"L'Auberge Espagnole" umschreibt das Ideal vom multikulturellen Zusammengehörigkeitsgefühl junger Europäer auf ungezwungene Weise, ohne Lehrmeisterlichkeit. Und wer als Erasmus-Student im Ausland war, wird einige witzige Déja-vu-Erlebnisse geniessen.
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