Marie-Jo et ses deux amours Frankreich 2002 – 124min.

Filmkritik

Eine Frau, zwei Geliebte, drei kranke Seelen

Filmkritik: Eduard Ulrich

Schon in Robert Guédiguian's "Marius et Jeannette", "À l'attaque!" und "La ville est tranquille" konnten wir beim Leben und Treiben in Marseille dabei sein. Jetzt schreibt der Franzose ein weiteres Kapitel mit seinen Freunden in den Hauptrollen, nicht sein schwächstes, aber wohl sein tragischstes. Doch wie in Guédiguian's anderen Filmen kommen der Humor und die Komik des Alltags nicht zu kurz.

Ein Familienausflug an die Mittelmeerküste: Gutes Wetter, schöne Natur - die todtraurige Miene von Marie-Jo (Ariane Ascaride), der rund vierzigjährigen Mutter, will überhaupt nicht dazu passen. Das Verhältnis zwischen den Familienmitgliedern und dem Freund der Tochter Julie (Julie-Marie Parmentier) ist herzlich. Vater Daniel (Jean-Pierre Darroussin) betreibt ein Baugeschäft, Julie steht kurz vor der Matur. Marie-Jo selbst arbeitet als Buchhalterin und Organisationshilfe im Büro des Familienbetriebs, daneben aber auch als Fahrerin von Krankentransporten. Das räumt ihr viele Freiheiten ein, die sie geschickt nutzt.

Die Voraussetzungen für persönliches Glück sind also erfüllt, bergen aber auch den Keim des Problems, denn Marie-Jo ist einem anderen Mann (Gérard Meylan) verfallen und lebt diese Amour Fou konsequent aus. Erstaunlicherweise hebt das nicht ihre Stimmung, sondern zermürbt sie, weil sie, hin und her gerissen zwischen ihren beiden Lebenspolen, den Boden unter den Füßen verliert. Ihr Rat an eine Bekannte, Sex liege zwischen Kopf und Herz und hielte jung, das würde jener auch gut tun, erweist sich in ihrem eigenen Fall als wenig gesundheitsförderlich.

Wie üblich mischt Regisseur Robert Guédiguian viel Lokalkolorit sowie Lebens- und Berufsalltag in seine Geschichte, die wie gewöhnlich in Marseille angesiedelt ist und wie immer von seiner kleinen, erprobten Crew mit Verve gespielt wird. Die Stadt, ihre Umgebung und ihre Lebensart, die von der Nähe zu Meer und Inseln, von den Schiffen und der strahlenden Sonne geprägt wird, erden das Geschehen. Dies ist das nötige Gegengewicht, denn der Grund für die Gefühlsnot der beinahe schizophrenen Marie-Jo wird psychologisch nicht plausibel. Ebenso wenig interessiert den Regisseur ein Ausweg aus dem zerstörerischen Dilemma.

Dass er stattdessen von der Schönheit seiner Frau, der Schauspielerin Ariane Ascaride, begeistert ist, obwohl sie keinem der sonst in den Medien propagierten Ideale entspricht, daran haben wir uns längst gewöhnt. Es ist sympathisch, dass nicht er selbst das Objekt der Verklärung ist, im Gegensatz etwa zum erotischen Ablöscher Woody Allen, der die unglaubwürdige Behauptung seiner eigenen Attraktivität immer wieder selbst inszeniert. Zudem beherrscht Guédiguian das filmische Handwerk. Ganz leicht verdaulich ist dieses permanente Anhimmeln der eigenen Frau über mehrere Filme hinweg dennoch nicht. Nur wer den nahen und häufigen Blick auf ihr Gesicht und ihren Körper nicht verträgt, sollte diese ansonsten gelungene Tragödie meiden, die auch mit der unterlegten Musik Geschmack beweist.

16.09.2021

4

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