Filmkritik
Wie die Karnickel
Mit "Wie die Karnickel" steuert Ralf König bereits zum dritten Mal einen seiner Comics als Vorlage für eine Realfilmsatire bei. Zum ersten Mal scheinen seine tragisch-komischen Knollennasenfiguren hinter den Schauspielern auch wirklich durch.
"Wie die Karnickel" ist das filmische Abbild dessen, was eingefleischte König-Fans seit Jahren in die Comicläden treibt: Ein Mikrokosmos triebgesteuerter Existenzen, die sich auf dem Weg zum nächsten Geschlechtsverkehr an verworrenen Beziehungsgeschichten und emanzipatorischen Glaubensfragen wund scheuern. Da ist zum Beispiel Horst (Michael Lott), der verklemmte Orchestermusiker, der für eine Operndiva schwärmt und heimlich Pornos guckt. Horst wird von seiner Freundin Vera (Anna Bötcher) übel beschimpft und sogleich verlassen, als diese eine seiner Videokassetten zufällig aus dem Hausmüll fischt. Auch Horsts schwuler Nachbar Sigi (Sven Walser) muss einen herben Verlust einstecken. Sein Langzeitlover Hubert (Heinrich Schmiederer) sucht das Weite, weil er genug von Sigis chronischen Eskapaden in fremden Betten hat. Im Leiden vereint kommen sich Horst und Sigi näher. Gut gemeinte Ratschläge werden ausgetauscht, ausprobiert, und gehen - wie könnte es bei König auch anders sein - voll in die Hose. "Der bewegte Mann" (1994) war mit über 6,5 Millionen Besuchern allein in Deutschland die bislang erfolgreichste Verfilmung eines Ralf König Comics. Dem Zeichner selbst hat der Film allerdings nicht besonders gefallen. Bei der Filmversion von "Kondom des Grauens" (1996) verbrachte König deswegen fast jeden Drehtag am Set. Er versuchte, mehr Kontrolle über die Realisierung der Comicvorlage auszuüben. Es scheint nichts genützt zu haben - sein Urteil über den fertigen Streifen fiel noch vernichtender als bei der ersten Verfilmung aus. Das Kinopublikum schien ähnlich zu denken und liess das "Killerkondom" an der Kasse durchfallen. Trotz der schlechten Erfahrungen nimmt König nun einen weiteren Anlauf: Mit "Wie die Karnickel" hat er zum dritten Mal einen seiner sexgetriebenen Comics zum Drehbuch gewoben und an einen potenten Geldgeber verschachert. Das gebrannte Kind willigte allerdings nur unter der Bedingung ein, diesmal nicht nur mitreden zu dürfen, sondern auch mitzubestimmen. Bei Hauptdarstellern und Regisseur hatte er das letzte Wort, und auch sonst hat König endlich bekommen, was er sich vorstellt: Charaktere, die bereits vom Aussehen her das Zeug zur Karikatur haben und eine Geschichte, die unverkennbar auf seinem Comic basiert. Das meint aber auch Figuren, die sich als wandelnde Klischees hart an der Schmerzgrenze bewegen, und eine Handlung, die sich an der nahtlosen Verknüpfung sexueller Peinlichkeiten und Unzulänglichkeiten orientiert. "Wie die Karnickel" behagt Ralf König besser als die früheren Verfilmungen - seine Fans werden diesem Urteil wohl zustimmen. Alle andern wissen jetzt wenigstens, worauf sie sich einlassen.
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