Filmkritik
Was danach?
Die 24-jährige iranische Regisseurin Samira Makhmalbaf beleuchtet das Leben einer emanzipierten und ehrgeizigen jungen Frau nach dem Ende des Taliban-Regimes. Die Poesie ihrer früheren Filme hat Didaktik Platz gemacht.
Es ist ein Roman ihres Vaters, des erfolgreichen Filmemachers Mohsen Makhmalbaf, den Samira Makhmalbaf in ihrem dritten Langspielfilm (nach "La pomme" und "Blackboards") verfilmt. Und erneut steht ein politisch und ideologisch heikles Thema im Mittelpunkt.
Obschon die junge Nogreh (Agheleh Rezaie) imkriegszerrütteten Umfeld Afghanistans aufgewachsen ist, hat sie grosse Pläne für ihr Land und sich selber: Sie will, wie Benazir Bhutto in Pakistan, Staatpräsidentin werden und die Stellung der Frau in Afghanistan verbessern.
Wie bereits in Makhmalbafs vorhergehenden Werken spielt die schulische Erziehung eine zentrale Rolle (in "Blackboards" suchen Lehrer nach ihren Schülern, in ihrem Beitrag zu "11’09’’01" versucht eine iranische Lehrerin, ihren kriegsgeprüften Schülern die Ereignisse des 11. September 2001 zu vermitteln). Um ihr Ziel zu erreichen, besucht Nogreh im Geheimen nach der muselmanischen Schule noch eine nicht religiöse Institution. Sie schleicht sich durch die Hintertüre aus dem Haus und zieht weisse Stöckelschuhe an, wenn sie sich mit anderen kämpferischen und optimistischen jungen Frauen zum Unterricht trifft: Das Klappern der hohen Absätze verleiht ihrer dunklen Silhouette Individualität und übersetzt ihre zurückgehaltene Energie.
Doch Nogrehs Hoffnungen werden erstickt. Ihr Vater befürchtet, dass nach dem Sturz der Taliban nun Ungläubige die Stadt beseelen werden und beschliesst, mit seiner verbleibenden Familie - darunter eine Schwiegertochter mit einem hungernden Kleinkind - nach einem gottesgläubigen Umfeld zu suchen. Dabei irren sie von Provisorium zu Provisorium.
Samira Makhmalbaf hat einen instruktiven und optisch intensiven Film über Afghanistan nach dem Taliban-Regime realisiert. Und auch um der Leinwand willen wird kein schwärmerischer Optimismus versprüht. Nogrehs Heimatland ist eine Ruine - Platz für Träume gibt es nicht: Der Film ist nach einer Zeile aus einem Gedicht von Garcia Lorca über einen sterbenden Stierkämpfer betitelt.
Groteskerweise wirkt aber gerade Makhmalbafs Tonwahl in ihrem Bemühen um Veränderung und Vermittlung überdidaktisch und nahezu militant: Die Aussagen wiederholen sich, die knappen Dialoge sind häufig allzu klischiert und drohen, die Poetik der einzelnen Bilder zu zerstören. So verliert das Drama letztlich an Lebendigkeit und Menschlichkeit und ertränkt sich in seiner eigenen Schwärze.
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