Filmkritik
Ode an ein Schweizer Kultinstrument
Nach einigen Dokfilmen über die Musik ferner Länder beschäftigt sich der Schweizer Filmemacher Stefan Schwietert in "Das Alphorn" zum ersten Mal mit der Musik der Alpen. Ein verschmitztes, filmisches Kleinod, das Avantgardisten wie Traditionalisten gleichermassen gerecht wird.
Das Alphorn: Für die einen ist das einige Meter lange Holzrohr, mit dem sich so wunderschön untemperiert Musik machen lässt, ein traditionell der Schweizer Folklore zugehöriges Instrument. Für andere aber ist das Wahrzeichen der Schweiz ein Weltmusik-Instrument, das nach jahrelangem Dornrörschenschlaf von der Avantgarde jüngst wieder zu neuem Leben erweckt wird.
So ungefähr lassen sich die zwei Extrempositionen umschreiben, die bezüglich des Alphorns derzeit auszumachen sind - im Film bilden sie Anfang und Ende eines Bogens. Gedreht hat "Das Alphorn" der Filmemacher Stefan Schwietert, 1961 in Esslingen geborenen, aber in Basel aufgewachsen, der sich mit Filmen wie "A Tickle in the Heart" und "El acordeon del diablo" den Ruf eines begnadeten Musikfilmers geholt hat. Ein Ruf, der sich in "Das Alphorn", dem notabene ersten Film, in dem sich Schwietert mit der Musik seiner Heimat, oder eben der "Musik der Alpen" auseinanderesetzt, nur bestätigt.
Als vifer Beobachter bewegt sich Schwietert hier zwischen den Fronten und betreibt eine so profunde wie zeitweise recht humorvolle recherche culturelle. Der Film beginnt entzückend kitschig mit der Sage "Wie das Alphorn in die Welt kam", zu finden im "Züricher Kalender aufs Jahr 1874", die Schwietert fiktiv ins Bild setzt. Von der traumartigen Begegnung des Sennenbuben Res mit drei wuchtigen Käsern ist da die Rede. Davon, dass diese dem Knaben das Alphorn schenkten.
Später im Film wird erklärt, dass man über die Herkunft des Alphorns nichts weiss, dass Hirten dieses aber gebraucht hätten, um ihre Kühe zusammenzurufen. Lose nur gleist Schwietert Herkunft und Histoire des Alphorns auf, indem er Anekdoten, Legenden und Histörchen folgt. Sein Film ist als Tour d’Horizon durch die heutige Alphornmusik angelegt, und der Fokus liegt auf der Gegenwart. Heute schreiben sich Foklore und Tradition unter dem Einfluss kreativer Künstler in die Avantgarde ein und verweisen auf die Zukunft.
Im Zentrum der Dokumentation stehen demzufolge die Experimentierer und Neuerer: Hans-Jürg Sommer, der vor 20 Jahren oft angefeindet wurde, weil in seinen Alphornkompositionen allzu oft "unschöne" Naturtöne anzutreffen sind, dessen "Moosruef" heute aber bereits als Klassiker gilt. Oder der Innerschweizer Jazzmusiker Hans Kennel,der unerschrocken nicht nur das Alphorn, sondern auch den Büchel und den untemperiert-urchigen Gesang der Schönbächler Sisters in seine Jazzstücke einbaut. Ein Jungspund im Klub der Alphorn-Avantgardisten ist Balthasar Streiff, der mit der 2001 gegründeten Gruppe "Hornroh" heute an urbanen Stätten unerschrocken experimentelle Alphornaufzüge präsentiert und dem Alphorn schlicht den Status eines Kultobjekts zuspricht.
Virtuos geschnitten überzeugt "Das Alphorn" durch feinfühlig-spitzbübische Fügung von Bild und Ton, der man es verdankt, dass Hans-Jürgs Sommers "Tanz der Kälber", mit Bildern von über die Wiese tollenden Rindern gekoppelt, auch für Nicht-Bauern anschaulich wird. Schwieterts Stärke aber ist die unvereingenommene Gelassenheit, mit der er die Anliegen der Avantgardisten dem Standpunkt der Folkloristen gegenüberstellt und gleichzeitig der Tatsache Rechnung trägt, dass zum vollständigen Bild des Alphorns auch der vom Jodlerverband auf Tournee geschickte Alphornbläser Urs Pattscheider gehört. Er zeigt exemplarisch, wie man an nebelverhangenen Tagen Touristen aus allen Ecken der Welt Schweizer Folklore mit einem Juchzer und viel Freundlichkeit nahe bringt.
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