CH.FILM

Die Wägsten und Besten des Landes Schweiz 2003 – 90min.

Filmkritik

Titanenkampf im Sägemehl

Bruno Amstutz
Filmkritik: Bruno Amstutz

Unbekannte Heimat: Der Dokumentarfilmer Matthias von Gunten wirft einen intensiven Blick auf die urschweizerische Sportart, das Schwingen. Mit patriotischer Verbrämung hat das herzlich wenig zu tun. Sondern mit zwei jungen Männern, die um sportlichen Erfolg kämpfen.

Jedes Schweizer Kind weiss, wann ein Corner getreten wird und was Powerplay bedeutet. Doch wie wird der "Brienzer" ausgeführt oder ein "Wiiberhagge" angesetzt? Hier hört das sportliche Allgemeinwissen meist auf. Dabei, so macht uns Matthias von Gunten gleich zu Anfang klar, ist kein anderer körperlicher Wettstreit so tief in unserer Kultur verankert wie das Schwingen, das sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen lässt.

Vielleicht gerade deswegen haftet der geregelten Rauferei aber auch ein altbackenes Image an, das viele Städter müde lächeln lässt. Solche Bedenken kennen Heinz Suter und Thomas Sutter nicht, zwei junge Männer mitte zwanzig, die sich mit Leib und Seele dem Schwingen verschrieben haben. Und beeindruckende Leiber bringen beide mit: Über einen Meter neunzig gross und mehr als hundert Kilo schwer.

Doch rasch wird klar, dass es nicht nur die Körpermasse ist, die einen Schwinger zum "Wägsten und Besten des Landes" machen kann. Mindestens so stark ins Gewicht fallen die Dinge, die sich nicht auf die Waage legen lassen: Willenskraft, Selbstvertrauen und seelische Stablilität.

So zeichnet Von Gunten Ausschnitte aus den Biographien zweier Kämpfer nach, die sich getrennt auf dasselbe höchste sportliche Ziel vorbereiten: Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest in Nyon 2001. Ein Ereignis, das in der Tagesschau als Randnotiz erscheint, für die Schwinger aber der Zenith eines dreijährigen Turnierturnus darstellt.Man muss nichts vom Schwingen verstehen, um beim Countdown zum grossen Finale mitzufiebern. Nebenbei erklärt der Streifen einige Grundregeln und Kunstgriffe, die das Verständnis fördern, aber er verzettelt sich nicht in technsichen Details, und eine Verherrlichung des Sports wird nie angestrebt. Im Zentrum stehen zwei Persönlichkeiten, die sich auf unterschiedliche Weise mit ihren Stärken und Schwächen, Erfolgen und Rückschlägen auseinander setzen müssen.

Trotz der nüchternen Gangart kommt Spannung auf, denn Matthias von Gunten bleibt mit der Kamera nie zu lang im gleichen Sägemehlhaufen kleben. Die Natürlichkeit seiner beiden Protagonisten, die sich meilenweit von Rocky-Klischees weg bewegen, trägt das Ihre zum Charme des Streifens bei. Und wenn der grosse Showdown der Gladiatoren naht, wird der Dokfilm zum Krimi. Doch welcher ist denn nun der Wägste und der Beste? Die Antwort auf diese Frage kann einem der Kinoeintritt getrost wert sein.

12.02.2003

4

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